Russlands Präsident Wladimir Putin am G20-Gipfel in St. Petersburg. (© Host Photo Agency/g20russia.ru)
Moskau – Wann endlich werden die USA aus ihren Fehlern in Afghanistan, Libyen und im Irak lernen und sich nicht mehr als Weltpolizei aufspielen? So in etwa lässt sich ein glühender Appell von Kremlchef Wladimir Putin an die US-Amerikaner zusammenfassen, auf einen Militärschlag gegen Syrien zu verzichten. Die «New York Times» veröffentlicht den Meinungsbeitrag des russischen Präsidenten am Donnerstag. Es ist ein Artikel, in dem Putin alle Register zieht, den USA brutale Gewalt als Mittel der Demokratie vorwirft und US-Präsident Barack Obama insgesamt die Leviten liest.
Er habe Obamas Syrien-Rede an die Nation betrachtet, schreibt Putin. Überheblich sei sie, weil die Amerikaner sich für etwas Besonderes hielten. «Es ist sehr gefährlich, Menschen zu ermutigen, sich für aussergewöhnlich zu halten», meint der Kremlchef. «Wir sind alle verschieden, aber wenn wir den Herrn um seinen Segen bitten, dürften wir nicht vergessen, dass Gott uns gleich geschaffen hat.»
Der das schreibt, ist der derselbe Putin, der als KGB-Offizier erst den Kommunismus verteidigte und später zeitweilig als Geheimdienstchef Russlands Interessen schützte. Und es ist der Putin, der es nach Meinung von Beobachtern in Agentenmanier immer meisterhaft verstanden hat, sich den Interessen seines Gegenübers anzupassen, um am Ende eigene Ziele noch effektiver durchzusetzen.
Waffenlieferant Russland
Putin schreibt, es gehe ihm um das internationale Recht – und das verbiete ein militärisches Eingreifen in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates: hier Syrien. Was der Kremlchef nicht erwähnt, ist, dass Russland seinen umstrittenen Verbündeten Baschar al-Assad mit Waffen ausstattet, damit Milliarden einnimmt und den strategisch wichtigen russischen Marinestützpunkt im syrischen Tartus nicht verlieren will.
Putin warnt die internationale Gemeinschaft und allen voran die USA vor den katastrophalen Folgen eines möglichen US-Schlags gegen das Bürgerkriegsland. Militante Dschihadisten könnten den Terrorkrieg künftig noch in andere Länder tragen. «Das bedroht uns alle», schreibt Putin. Das, was Syrien erlebe, sei kein «Kampf um Demokratie». Es drohe eine Welle von Gewalt und Terrorismus weit über die Grenzen des arabischen Landes hinaus.
«Angriff gegen Israel droht»
nd Putin wiederholt, dass Russland die Gegner Assads hinter dem Chemiewaffeneinsatz in Syrien sieht, die damit eine US-Intervention provozieren wollten. «Es gibt keine Zweifel, dass Giftgas angewendet wurde in Syrien. Aber es gibt jeden Grund zu glauben, dass es nicht von den syrischen Streitkräften, sondern von den Oppositionskräften benutzt wurde (…)», schreibt Putin. Und er warnt: «Berichte darüber, dass militante Kräfte einen neuen Angriff vorbereiten – diesmal gegen Israel -, können nicht ignoriert werden.»
Deshalb mahnt der russische Präsident noch einmal, gemäss den Zielen der Vereinten Nationen zu handeln und nach einem friedlichen Ausweg aus der Syrienkrise zu suchen. Eine neue Chance dafür seien Gespräche Russlands und der USA über einen Plan zur Vernichtung der Chemiewaffen in Syrien. Dem hat Damaskus zugestimmt.
Lawrow trifft Kerry in Genf
Über das genaue Vorgehen verhandeln wollten von Donnerstag bis Freitag oder sogar Samstag Russlands Aussenminister Sergej Lawrow und sein US-Kollege John Kerry mit Chemiewaffen-Experten. Beide Minister wollen bei dem Treffen in Genf auch einen neuen Anlauf nehmen, ihre seit Monaten geplante Friedenskonferenz doch noch zustande zu bringen. «Ich bin überzeugt, dass es eine Chance für Frieden in Syrien gibt», sagte Lawrow vor seiner Reise nach Genf. (awp/mc/upd/ps)