Quarantäne für britische Spanien-Urlauber erwischt Tui
Hannover – Die Quarantäne-Pflicht für britische Spanien-Urlauber hat auch den Reisekonzern Tui kalt erwischt. Ab Montag streicht der Konzern vorläufig seine Flüge von Grossbritannien aufs spanische Festland, wie ein Tui-Sprecher am Sonntag sagte. Nach dem monatelangen Reisestopp war das Geschäft des Veranstalters gerade erst wieder angelaufen. Für die Reiseangebote des Tui-Konzerns ist Grossbritannien neben Deutschland der wichtigste Absatzmarkt. Und für das Reiseland Spanien zählen die Briten zu den wichtigsten Gästegruppen. Auch Urlauber aus anderen Ländern könnten sich von der Entwicklung verunsichert fühlen.
Anleger an der Börse quittierten die Nachrichten mit einem Kursrutsch. Die Tui-Aktie verlor an der Londoner Börse am Morgen zeitweise mehr als 15 Prozent an Wert. Zuletzt lag sie noch mit rund 11 Prozent im Minus bei 302,40 britischen Pence. Mitte März war der Kurs sogar bis auf 218 Pence eingebrochen. Seit dem Jahreswechsel hat das Papier inzwischen fast 70 Prozent seines Werts eingebüsst. Damit ist Tui an der Börse weniger als 2 Milliarden Euro wert. Zur Zeit des Rekordhochs im Mai 2018 hatte die Marktkapitalisierung noch bei mehr als 12 Milliarden Euro gelegen.
Auch für die Aktien betroffener Fluggesellschaften wie Easyjet und Ryanair ging es am Montag deutlich nach unten. Ihr Geschäft hängt ebenfalls stark von der Reiselust der Briten ab.
Die plötzliche Veränderung der Reiseregeln dürfte das Vertrauen der Verbraucher belasten, schrieb Branchenexpertin Becky Lane vom Analysehaus Jefferies. Dies könne sich negativ auf das Last-Minute-Geschäft auswirken. Auch die Buchungen für das kommende Jahr könnten sich dadurch nach hinten verschieben.
Reiseveranstalter rückerstattungspflichtig
Zudem müssten Reiseveranstalter den von den veränderten Reiseregeln betroffenen Kunden das gezahlte Geld zurückerstatten. Damit drohe den Unternehmen ein weiterer Mittelabfluss ausgerechnet in der Zeit, in der sie Geld für das wieder anlaufende Reisegeschäft ausgeben müssten, warnte Lane.
Um die Corona-Krise überbrücken zu können, hatte Tui im April einen Hilfskredit der staatlichen KfW-Bank von 1,8 Milliarden Euro bekommen. Bereits im Juni räumte Konzernchef Fritz Joussen ein, dass das unter Umständen nicht reicht. «Wir arbeiten natürlich mit mehreren Szenarien und tun gut daran, in diesen Szenarien auch über weitere Finanzquellen nachzudenken», hatte er der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» gesagt.
Kanarische Inseln und die Balearen werden weiterhin angeflogen
Der nun verfügte Reisestopp bei Tui gilt nur für Flüge zwischen Grossbritannien und dem spanischen Festland. Die Kanarischen Inseln und die Balearen würden weiterhin angeflogen, sagte der Tui-Sprecher. Flüge von Grossbritannien aufs spanische Festland würden voraussichtlich bis zum 9. August gestrichen. Es handele sich um sieben bis acht Flüge pro Woche. «Rückflüge von Spanien nach Grossbritannien finden ganz normal statt», sagte der Sprecher. Für deutsche Reisende gebe es keine Auswirkungen.
Grossbritannien hatte eine zweiwöchige Quarantänepflicht für Rückkehrer aus Spanien beschlossen. Dem Tui-Sprecher zufolge setzen sich Reiseveranstalter in Gesprächen mit der britischen Regierung für regionale Reisekorridore ein. «Auf den Inseln ist eine ganz andere Lage als in Nordspanien», sagte er.
Quarantänepflicht für britische Spanienrückkehrer
Tausende Briten müssen nach ihrem Sommerurlaub in Spanien in eine zweiwöchige Quarantäne. Die Quarantänepflicht gelte nicht nur für das spanische Festland, sondern auch für Rückkehrer von den Balearen und den Kanaren, sagte der Sprecher des britischen Verkehrsministers Grant Shapps. Auch der Minister selbst ist betroffen. Er sei mit seiner Familie in Spanien, bestätigte sein Sprecher.
Spanien gehört zu den Ländern, in denen die Briten am liebsten Ferien machen. «Wir haben die Entscheidung so schnell getroffen, wie wir konnten», sagte der britische Aussenminister Dominic Raab dem Nachrichtensender Sky News. Man habe damit auf einen «grossen Anstieg an Covid-19-Fällen» auf dem spanischen Festland reagiert. Mit der Einführung der Quarantänepflicht für die Rückkehrer soll eine zweite Infektionswelle im Vereinigten Königreich verhindert werden.
Grossbritannien ist das am stärksten von der Pandemie betroffene Land in Europa. Der Regierung wird vorgeworfen, zu spät reagiert zu haben. Für die unter der Corona-Krise stark leidenden Fluggesellschaften ist die Pflicht zur Selbstisolation ein heftiger Schlag. Sie fürchten nun neue Einbrüche bei den Fluggastzahlen und damit noch mehr Verluste.
Grossbritannien hatte zuvor sogenannte Luftbrücken mit mehr als 70 Ländern und Überseegebieten eingerichtet, die nach Ansicht der Regierung in London die Pandemie im Griff haben. Wer aus diesen Staaten einreist, muss nicht in Quarantäne. Die Listen werden regelmässig aktualisiert. Da jeder Landesteil in Grossbritannien über seine eigenen Pandemie-Massnahmen bestimmt, können die Listen in einigen Fällen auch etwas voneinander abweichen.
900 neue Infektionen in Spanien binnen 24 Stunden
In ganz Spanien mit seinen rund 47 Millionen Einwohnern wurden nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Madrid binnen 24 Stunden mehr als 900 neue Infektionen registriert. Fast die Hälfte der Fälle wurde aus Katalonien und der Nachbarregion Aragón gemeldet.
Mit mehr als 270’000 nachgewiesenen Infektionen und über 28’400 Toten ist Spanien neben Grossbritannien ein weiterer Corona-Hotspot. Während die Zahlen dank drastischer Massnahmen stark fielen, gehen sie seit dem Ende des Notstands am 21. Juni langsam wieder nach oben. (awp/mc/ps)