Martin Winterkorn, CEO Volkswagen-Konzern.
Wolfsburg – Der teure Kampf um Kunden im krisengeschüttelten Europa setzt Branchenprimus Volkswagen erheblich unter Kostendruck. Die zentrale Pkw-Kernmarke des Konzerns musste im Startquartal fast eine Halbierung des operativen Ergebnisses verkraften. Dass Ähnliches nicht auch in der Gesamtrechnung des Dax -Riesen passierte, liegt vor allem an der glänzenden neuen Ertragsperle Porsche sowie an günstigen Wechselkurseffekten, die VW erheblich in die Karten spielten.
Das teilte Deutschlands grösster Industriekonzern am Montag mit. Die Quartalsbilanz folgt wenige Tage nachdem VW-Chef Martin Winterkorn einräumte, dass womöglich bald Leiharbeiter gehen müssen. Das operative Quartalsergebnis der Kernmarke VW-Pkw musste, verglichen mit dem Vorjahr, einen Einbruch von 45 Prozent hinnehmen. Zu der Marke gehören etwa die Volumen-Modelle Golf, Polo und Passat. Nach 1,1 Milliarden Euro zuvor blieben diesmal bis Ende März nur 590 Millionen Euro. Wie VW zur Erklärung schreibt, wirkt «der sich insbesondere in Westeuropa verschärfende Wettbewerb negativ». Die VW-Aktien legten am Montag trotzdem um mehr als 3 Prozent zu. Mit Blick auf den Chart arbeiteten die Aktien offenbar daran, die Kurslücke (Gap) vom Donnerstag auf Freitagmorgen zu schliessen, sagte ein Händler.
Vertriebskosten schiessen nach oben
Im wichtigen Kernmarkt Westeuropa blickt VW ohnehin schon auf das schlechteste Umfeld seit mehr als zwei Jahrzehnten. Und dort gaben die Auslieferungen im Auftaktquartal 2013 um 5,8 Prozent nach. Die Vertriebskosten, in denen sich auch der Trend zu Rabatten widerspiegelt, schossen um 12,7 Prozent in die Höhe. Und sie dürften auf hohem Niveau bleiben. Ein Grund dafür ist aber auch die Vollkonsolidierung von Porsche, deren Vertriebskosten nun ebenfalls in die Bilanz einfliessen. Dabei ist Westeuropa ansonsten in der Regel der zentrale Ergebnisbringer für Deutschlands Autobauer. Doch VW musste mitteilen: «Auf nahezu allen wesentlichen Märkten dieser Region lagen unsere Verkaufszahlen unter den Vorjahreswerten.» Auch in der Konzerngesamtrechnung ist das Bild getrübt: Den damals knap 3,2 Milliarden Euro als operatives Ergebnis stehen im aktuellen Startquartal nur gut 2,3 Milliarden Euro gegenüber – minus 26 Prozent. Selbst die stabile VW-Premiummarke Audi bekam die Krise zu spüren: Trotz mehr verkaufter Autos schrumpften Umsatz und Gewinn. Zudem drückten höhere Ausgaben für den Ausbau der Fertigung das operative Ergebnis der VW-Tochter um 7,3 Prozent auf rund 1,3 Milliarden Euro.
Seat rutscht tiefer in die roten Zahlen
Die seit Jahren kriselnde spanische Tochter Seat rutschte erneut tiefer in die roten Zahlen: minus 46 statt minus 29 Millionen Euro. Skoda und die VW-Nutzfahrzeuge halbierten ihre operativen Ergebnisse. Während die Lkw-Tochter Scania recht stabil blieb, rutschte der Lkw-Bauer MAN – wie seit einigen Tagen bekannt – in die Verlustzone. Positiv wirkte sich aus, dass die junge Tochter Porsche vor Zinsen und Steuern neuerdings monatlich rund 200 Millionen Euro beisteuert. Sie gehört erst seit Sommer 2012 komplett zum VW-Reich. Ohne diesen Porsche-Effekt wäre das Konzernergebnis fast halbiert worden. Zudem spielte es VW in die Karten, dass günstige Wechselkurse das sonstige betriebliche Ergebnis nach einem kleinen Minus im Vorjahr (- 10 Mio Euro) im jüngsten Quartal auf beinahe eine halbe Milliarde Euro Plus brachten (543 Mio Euro). Zu diesem in Summe drastisch schlechterem Bild gehört noch die wichtige Angabe zu China, das wegen der Joint-Venture-Struktur dort gesondert ausgewiesen wird. Die im Reich der Mitte vor Zinsen und Steuern erzielten knapp 1,2 Milliarden Euro sind rund 36 Prozent Plus.
VW tritt auf die Kostenbremse
Wie Vertriebschef Christian Klingler am Nachmittag sagte, gab es hohe Preisnachlässe und einen ungünstigeren Modellmix im Verkauf – im Geschäft dominierten also entweder ältere Autos oder solche, die generell weniger Marge liefern. Daher fehlten den Wolfsburgern im Vergleich zum Start 2012 satte 1,5 Milliarden Euro operativer Gewinn. Nur der Neuzugang Porsche, der erst seit August mit in der Bilanz steht, rettete VW mit rund 570 Millionen Euro Ergebnis die Rechnung. VW-Boss Winterkorn hatte schon durchblicken lassen, dass Europas grösster Autokonzern nun auf die Kostenbremse trete. «Stammpersonal ist sicher ein Thema, wo wir festhalten werden. Über die Leihkräfte werden wir nachdenken müssen», sagte der Manager am Freitag dem ORF in Wien. Das passt zur Angabe des Quartalsberichtes, dass der Inlandsabsatz in den ersten drei Monaten um 7 Prozent zurückging.
Neue Modelle
Trotz hoher Kosten setzt VW nun vor allem auf neue Modelle. «Denn das ist das, was unsere starke Wettbewerbsposition unterstreicht», sagte Finanzchef Hans Dieter Pötsch. Die Lagerbestände lagen am Ende des ersten Quartals deutlich über den Werten von Ende 2012. Alleine der Warenbestand – der zum Grossteil fertige Autos beschreibt aber auch Bauteile und Motoren, die von Werk zu Werk geliefert werden – war 1,2 Milliarden Euro höher als Ende Dezember. Mehr Autos stehen also auf dem Hof und müssen weg. «Wir sind beim Lagerbestand in einer sehr guten Situation», beruhigte Vertriebler Klingler allerdings mit Blick auf die neuen Modelle, die nun vor der Auslieferung stehen. Die Rückstellungen für eine Rückrufaktion in China, es geht dabei um Getriebeprobleme bei 384.000 Autos, bezifferte VW mit einem «niedrigen dreistelligen Millionenbetrag». Dazu kommen 140 Millionen Euro Vorsorge für ein Kraftwerks-Projekt der Tochter MAN. (awp/mc/hfu)