Ende der Regierungsblockade in Spanien
Madrid – Spanien hat nach einer zehn Monate langen Parlamentsblockade und zwei Wahlen wieder eine reguläre Regierung. Das Parlament in Madrid wählte am Samstagabend den seit Ende 2015 nur geschäftsführend regierenden Ministerpräsidenten Mariano Rajoy für eine zweite Amtszeit. Der 61-Jährige von der konservativen Volkspartei (PP) muss allerdings mit einer Minderheit im Parlament regieren und sich vor jeder Abstimmung die notwendige Mehrheit besorgen. Führer anderer Parteien kündigten eine harte Opposition an.
Der «Primer Ministro» wird am Montag vor König Felipe VI. den Amtseid ablegen. Für Donnerstag kündigte Rajoy an, das neue Kabinett vorzustellen.
Rajoy wird die kommende Legislaturperiode mit nur 137 von insgesamt 350 Abgeordneten regieren müssen. Er wird unter anderem Schwierigkeiten haben, im Parlament genug Unterstützung für den geplanten Sparhaushalt für 2017 zu bekommen. «Ich will viel verhandeln und mit allen sprechen», versicherte Rajoy. Er forderte aber alle Parteien auch dazu auf, unter seiner Führung eine verantwortungsvolle und konstruktive Politik zu betreiben.
Tausende protestieren
Zudem zeigte eine Grosskundgebung, die unmittelbar nach der Abstimmung vor dem Parlament stattfand, dass Rajoy schwere Zeiten bevorstehen. Teilnehmer prangerten in erster Linie die vielen Korruptionsaffären in der Partei des Ministerpräsidenten an. «Die PP betrügt, klaut und macht mundtot», stand zum Beispiel auf einigen Plakaten. Nach Polizeischätzung nahmen rund 6000 Menschen an der «Umzingelung des Kongresses» teil, die Organisatoren sprachen von 150’000 Protestlern. Zwischenfälle gab es nicht.
Einfache Mehrheit ausreichend
Nach einer Pleite bei der ersten Abstimmung am Donnerstag, bei der Rajoy noch eine absolute Mehrheit von 176 der 350 Abgeordneten verfehlte, reichte ihm diesmal eine einfache Mehrheit. 170 Abgeordnete stimmten für und 111 gegen ihn. 68 Abgeordnete enthielten sich der Stimme – darunter vor allem die meisten Sozialisten (PSOE), die so nach langem Widerstand doch die zweite Amtszeit Rajoys ermöglichen.
Mit dem Einlenken der Sozialisten am vergangenen Wochenende war kurz vor Ablauf der Frist am 31. Oktober die Drohung einer dritten Parlamentswahl innerhalb eines Jahres abgewendet worden.
Sánchez-Rücktritt mit Eingung möglich
In der viertgrössten Volkswirtschaft der Eurozone hatte sich nach der Wahl im Dezember 2015 eine politische Pattsituation ergeben. Diese bestand auch nach der zweiten Wahl im Juni weiter. Dafür sorgten vor allem die Linkspartei Podemos (Wir Können) und die liberalen Ciudadanos (Bürger), die eine in Spanien seit Jahrzehnten anhaltende «Zweiparteien-Herrschaft» jäh beendet hatten. Zwar erhielten Rajoys Konservative bei beiden Parlamentswahlen die meisten Stimmen, sie verfehlten aber die absolute Mehrheit deutlich.
Rajoy, der 2011 zum ersten Mal zum Ministerpräsidenten gewählt worden war, hatte bereits Anfang September versucht, eine Regierung zu bilden. Damals war er im Parlament am Widerstand der Sozialisten gescheitert. Jetzt lenkten diese auch deshalb ein, weil eine dritte Wahl der Partei vermutlich mehr geschadet als genutzt hätte.
Für den entscheidenden Durchbruch sorgte der Rücktritt von PSOE-Chef Pedro Sánchez am 1. Oktober. Der vehemente Kritiker Rajoys hatte die sogenannte «Blockade» seiner Partei angeführt, war zuletzt intern unter anderem auch aufgrund von Wahlschlappen in den Regionen Galicien und Baskenland immer mehr in die Kritik geraten. Am Samstagmorgen legte er auch sein Mandat als Abgeordneter nieder. (awp/mc/upd/pg)