Razzia bei Audi-Chef Stadler – Manager unter Betrugsverdacht
München – In der Abgas-Affäre stehen jetzt auch Audi -Chef Rupert Stadler und ein weiteres Vorstandsmitglied der VW -Tochter unter Betrugsverdacht. Die beiden Manager werden als Beschuldigte geführt, ihre Privatwohnungen wurden zur Sicherung von Beweismaterial durchsucht, wie die Staatsanwaltschaft München II am Montag mitteilte. Die seit mehr als einem Jahr andauernden Ermittlungen bei Audi haben damit einen neuen Höhepunkt erreicht, erstmals sind zwei amtierende Audi-Vorstandsmitglieder ins Visier der Staatsanwälte geraten. Stadler steht seit Beginn der Affäre unter Druck, mehrfach war über seine Ablösung spekuliert worden.
Ihm und seinem Vorstandskollegen werden jeweils Betrug sowie «mittelbare Falschbeurkundung» zur Last gelegt. Bei den Vorwürfen geht es um den Verkauf von Diesel-Autos mit manipulierter Abgassteuerung in Europa. Ein Audi-Sprecher erklärte: «Wir kooperieren vollumfänglich mit der Staatsanwaltschaft.»
Die Zahl der Beschuldigten in dem Ermittlungsverfahren ist mit der Ausweitung auf 20 gestiegen. Weitere Details wollte die Staatsanwaltschaft mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht nennen.
Die Ermittler verdächtigen Audi, in den USA und Europa ab 2009 mindestens 210 000 Dieselautos mit Schummelsoftware verkauft zu haben. Sie ermittelt wegen Betrugs und strafbarer Werbung. Anfang Februar hatten Staatsanwälte die Audi-Zentrale in Ingolstadt und Büros im Werk Neckarsulm durchsucht.
Wenig später wurden die Privatwohnungen dreier weiterer Beschuldigter und in einem Fall auch der Arbeitsplatz durchsucht. Bei zweien von ihnen handelt es sich nach Angaben der Münchner Staatsanwaltschaft um ehemalige Vorstandsmitglieder von Audi. Es bestehe der Verdacht, dass die Beschuldigten mitverantwortlich dafür gewesen seien, zumindest einen wesentlichen Teil der mit manipulierten Dieselmotoren ausgestatteten Fahrzeuge auf den Markt zu bringen, hatten die Ermittler damals mitgeteilt. Der betroffene Arbeitsplatz sei nicht mehr bei Audi angesiedelt.
Als einziger Beschuldigter sitzt der ehemalige Chef der Audi-Motorenentwicklung und Porsche-Entwicklungsvorstand in Untersuchungshaft. Er war im September 2017 festgenommen worden. Einer seiner früheren Mitarbeiter bei Audi in Neckarsulm war nach mehreren Monaten Untersuchungshaft im November 2017 wieder freigekommen.
Konzernzentrale durchsucht
Bereits im März vergangenen Jahres hatte die Staatsanwaltschaft München in einer spektakulären Aktion während der Jahres-Pressekonferenz in Ingolstadt die Konzernzentrale von Audi durchsuchte. Damals ging es um 80’000 in den USA verkaufte Autos. Nach Rückrufen des Kraftfahrtbundesamts für 127 000 in Europa verkaufte Autos mit Schummelsoftware waren die Ermittlungen erweitert worden.
Derweil wurde im Fall der Abgas-Vorwürfe gegen Daimler von einem Treffen am Montagnachmittag in Berlin mehr Klarheit über das Ausmass erwartet. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte Konzernchef Dieter Zetsche erneut zum Gespräch geladen, um die genaue Zahl betroffener Modelle zu ermitteln. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hatte bei einem Typ des Kleintransporters Vito unzulässige Abgastechnik festgestellt und einen Rückruf angeordnet. Betroffen sind weltweit 4900 Fahrzeuge, darunter gut 1370 in Deutschland. Daimler weist den Vorwurf zurück. Unklar ist, ob sich die fraglichen Programmierungen auch in anderen Fahrzeugen des Herstellers finden – und wenn ja, in wie vielen.
Im Kampf gegen zu schmutzige Luft in Städten gibt es beim Umrüsten älterer Diesel weiter keine grösseren Fortschritte. Software-Updates bekommen haben bisher «rund 2,5 Millionen Fahrzeuge», wie das Verkehrsministerium Anfang Juni auf FDP-Anfrage mitteilte – das ist die seit mehreren Monaten genannte Grössenordnung. Zuerst berichtete die «Bild»-Zeitung (Montag) darüber. Die Autobauer haben Umrüstungen für 5,3 Millionen Diesel bis Jahresende zugesagt, darunter 2,5 Millionen VW, aus denen eine illegale Software entfernt werden muss.
Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf, kritisierte den Umgang der Automanager mit dem Skandal. «Wer Fehler gemacht hat, sollte sie benennen, sich entschuldigen und sie abstellen, also Verantwortung übernehmen, um endlich Vertrauen zurückzugewinnen», sagte er der dpa. «Ich will nicht verhehlen, dass ich mir nach dem Bekanntwerden der Gesetzesverstösse mehr als einmal ein anderes Verhalten gewünscht hätte.» (awp/mc/ps)