Griechische Regierung vor Zerreissprobe
Athen – Athen – Die harten Sparmassnahmen und das Ultimatum der Euro-Finanzminister stellen Griechenlands Regierung vor eine Zerreissprobe. Nur einen Tag nach der Einigung der Parteichefs auf neue Einschnitte bröckelt die Regierung des parteilosen Ministerpräsidenten Lucas Papademos. Die kleine rechtsgerichtete LAOS-Partei verweigerte die Gefolgschaft und zog ihre Minister aus der Regierung ab. Die Mehrheit bei der entscheidenden Abstimmung im Parlament scheint jedoch noch sicher zu sein.
Auf den Strassen formierte sich breiter Protest. Tausende beteiligten sich an Streiks und Demonstrationen. Am Samstag sollen die Streiks fortgesetzt werden das öffentliche Leben weitgehend lahmlegen. Griechenland droht ohne weitere Milliardenhilfen die Staatspleite. Eine mögliche Regierungsumbildung in Griechenland wird es nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa aber frühestens nach der Abstimmung im Parlament geben. Diese wurde nach Angaben des griechischen Finanzministers Evangelos Venizelos für Sonntagabend erwartet.
Papademos: «Moment der histrischen Verantwortung»
In einer sehr emotionalen Rede im Ministerrat schwor Papademos am Abend seine Regierung auf ein Ja zu dem Sparpaket ein. Mit eindringlichen Worten warnte der frühere EZB-Vizepräsident vor den Folgen einer Staatspleite, die ein «ökonomisches Chaos» und eine «soziale Explosion» bewirken würde. Früher oder später würde das Land dann die Eurozone verlassen müssen. «Der Staat würde Löhne, Renten nicht zahlen und die Krankenhäuser und die Schulen würden nicht funktionieren können.»
Papademos warnte vor einem völligen Zusammenbruch des Lebensstandards und vor Verelendung und sprach von einem «Moment der historischen Verantwortung». An die Adresse der seit knapp zwei Jahren unter immer neuen Einschnitten leidenden Griechen sagte er: «Wir schauen dem Volk in die Augen und sagen: Dieses Programm wird sozial weniger Kosten haben als die finanzielle und soziale Katastrophe, die folgen wird, wenn wir es nicht verfolgen.» Mit Blick auf die Opposition und die Demonstranten sagte der parteilose Regierungschef: «Patriotisch ist heute nicht, die Waffen zu strecken. Wir müssen stattdessen vereint sein, die Zähne zusammenbeissen und alle schwierigen Entscheidungen für die Rettung des Landes treffen und sie auch in die Tat umsetzen.»
Griechische Medien: Mindestens 30 Abweichler im Regierungslager
Bis zum Abend waren mehrere Mitglieder der 50-köpfigen Regierung zurückgetreten, darunter alle vier der kleinen rechtsgerichteten Partei LAOS. Beobachter hielten es für möglich, dass eine neue Regierung Papademos› nur noch aus Experten bestehen werde, wie es in Italien der Fall ist. Diese würden dann möglicherweise freier agieren können. Der frühere EZB-Vizepräsident Papademos ist erst seit drei Monaten im Amt.
Griechische Medien schätzten, dass es bei der Abstimmung im Parlament mindestens 30 Abweichler im Regierungslager geben könnte. Zudem wollen auch die 16 LAOS-Abgeordneten das Sparpaket nicht mittragen. Ein Nein des kleinsten Regierungspartners hätte angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Parlament keine Auswirkungen, sollten die beiden anderen Regierungsparteien, die Sozialisten (PASOK) und die Konservativen (Nea Dimokratia), für die Sparanstrengungen votieren. Insgesamt stellt das Regierungslager – nun ohne LAOS – 236 von insgesamt 300 Abgeordneten im Parlament. Mit 151 Ja-Stimmen wäre das Gesetz gebilligt.
Kritik aus Deutschland
Die Euro-Finanzminister hatten grünes Licht für das neue Hilfsprogramm auch an die Zustimmung des Parlaments in Athen geknüpft und Griechenland so weiter unter Druck gesetzt. Sie hatten ihren Beschluss dazu am späten Donnerstagabend auf kommenden Mittwoch vertagt. Nur wenn Athen innerhalb einer Woche mehrere Bedingungen erfüllt, kann Griechenland mit dem dringend benötigten zweiten Rettungspaket von mindestens 130 Milliarden Euro rechnen. Notwendig ist zudem noch ein freiwilliger Schuldenschnitt im Volumen von 100 Milliarden Euro, auf den sich die privaten Gläubiger wie Banken mit Athen einigen müssen.
Zu den Bedingungen gehört auch, dass die Regierungskoalition in Athen verbindlich zusichern müssen, bei dem Sparprogramm mitzuziehen. Papademos zufolge fordern die Euro-Finanzminister ein schriftliches Bekenntnis der Chefs der Regierungsparteien zum Sparprogramm. Der Chef der rechtsgerichteten LAOS-Partei, Giorgos Karatzaferis, warf insbesondere den Deutschen vor, alleine die EU zu regieren, «weil sie ein dickes Portemonnaie haben».
Zusammenstösse in Athen
Die neuen harten Einschnitte sehen unter anderem kräftige Lohnkürzungen im Privatsektor sowie die Entlassung von 150.000 Staatsbediensteten bis 2015 vor. Bis dahin soll Griechenland 14 Milliarden Euro sparen, allein dieses Jahr sollen es 3,1 Milliarden sein. Das Sparprogramm ist Voraussetzung dafür, dass das Euro-Sorgenkind neue Milliarden-Hilfen bekommt. Andernfalls ist Griechenland bis Ende März pleite. Doch nicht nur in der Regierung rumort es, auch auf den Strassen kocht die Wut hoch: Während ein zweitägiger Streik den öffentlichen Verkehr im Land weitgehend lahmlegte, kam es im Zentrum Athens zu Zusammenstössen zwischen Autonomen und der Polizei. Nach Schätzungen der Polizei waren rund 11.000 Menschen auf den Strassen der Hauptstadt unterwegs.
Aktienmärkte und Euro unter Druck
Am Aktienmarkt setzte die Sorge vor weiteren Verzögerungen im griechischen Schuldendrama den Dax am Freitag deutlich unter Druck. Der deutsche Leitindex sank um 1,41 Prozent. Auch der Kurs des Euro fiel deutlich. Der Deutsche Bundestag wird voraussichtlich am 27. Februar über das neue Hilfspaket für Griechenland entscheiden. Das wurde am Freitag nach einem Treffen der Partei- und Fraktionsvorsitzenden bei Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Stand der Hilfen für Athen bekannt.
Merkel: «Weg des geringsten Schadens»
Die neuen Hilfsaktionen zugunsten Athens nannte Merkel einen «Weg des geringsten Schadens». Nach Teilnehmerangaben in einer Sondersitzung der Unionsfraktion machte Merkel im Hinblick auf Szenarien einer Staatspleite Athens deutlich, dadurch hätte man «ein Haftungsrisiko am Hacken, das man nicht mehr beherrschen kann». (awp/mc/pg/upd/ps)