Washington – Nach einer extrem langen Hängepartie hat das US-Repräsentantenhaus ein weiteres innenpolitisches Kernvorhaben von Präsident Joe Biden beschlossen. Die Kongresskammer verabschiedete am Freitag mit der knappen Mehrheit der Demokraten ein billionenschweres Paket mit Investitionen in Soziales und Klimaschutz. Die Zustimmung der zweiten Kongresskammer, des US-Senats, steht noch aus. Ob das mehr als 2000 Seiten lange Gesetzespaket dort genauso durchkommen wird, ist fraglich. Es dürfte noch Änderungen geben.
Das Votum im Repräsentantenhaus ist dennoch ein wesentlicher Schritt für Biden. Der Präsident hatte über Monate persönlich mit Parteikollegen verhandelt, um Widerstand in den eigenen Reihen gegen seine Investitionspläne zu überwinden, unterschiedliche Positionen der Parteiflügel zu versöhnen und eine Mehrheit im Kongress zu organisieren. Das gelang ihm nun zumindest im Repräsentantenhaus.
«Riesiger Schritt nach vorne»
Biden erklärte, die erfolgreiche Abstimmung sei «ein weiterer riesiger Schritt nach vorne» bei der Umsetzung seines Plans zur Stärkung und Modernisierung der US-Wirtschaft. Das Vorhaben schaffe Jobs, mache die USA wettbewerbsfähiger und helfe der Mittelklasse. Er hoffe auf eine rasche Verabschiedung im Senat, erklärte Biden.
Ursprünglich hatte Biden ein Investitionspaket für Soziales und Klima im Umfang von 3,5 Billionen Dollar (knapp 3,1 Billionen Euro) angepeilt. Moderate Demokraten sperrten sich jedoch gegen derart hohe Ausgaben und zwangen den Präsidenten in den zähen Verhandlungen, sich von Teilen seiner Pläne zu verabschieden. Er strich das Paket schliesslich um die Hälfte zusammen auf 1,75 Billionen US-Dollar (1,54 Billionen Euro). Im Repräsentantenhaus gab es wiederum Ergänzungen.
Wie die Endfassung aussehen wird, ist Gegenstand von Verhandlungen im Senat, wo die Demokraten nur eine hauchdünne Mehrheit haben und sich keinen einzigen Abweichler aus den eigenen Reihen erlauben können. Einzelne demokratische Senatoren haben aber noch Gesprächsbedarf angemeldet, allen voran Joe Manchin aus West Virginia.
Familien sollen entlastet werden – 500 Mrd für Kampf gegen Klimakrise
Vorgesehen ist in dem Paket unter anderem, die – bislang mitunter extrem hohen – Kosten für Kinderbetreuung für viele Familien im Land zu reduzieren und teils ganz durch den Staat zu übernehmen, Familien steuerlich zu entlasten und Gesundheitsleistungen auszubauen. Mehr als 500 Milliarden Dollar sind ausserdem für den Kampf gegen die Klimakrise eingeplant, darunter Investitionen in erneuerbare Energien oder Steueranreize für den Kauf von Elektroautos.
Zuletzt hatten die Demokraten im Repräsentantenhaus ausserdem mehrere Dinge wieder in das Paket aufgenommen, darunter eine bezahlte Familienzeit nach der Geburt eines Kindes oder für die Pflege von Angehörigen. Dieses Vorhaben – ein Herzensanliegen für linke Demokraten – könnte im Senat angesichts des Widerstandes von gemässigten Parteikollegen aber wieder herausfallen. Finanziert werden soll das Paket durch Steuererhöhungen für Konzerne und Spitzenverdiener sowie durch das konsequentere Eintreiben fälliger Abgaben.
Die Abstimmung über das Gesetzespaket war ursprünglich für Donnerstagabend angesetzt gewesen. Der republikanische Minderheitsführer im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, zögerte die Abstimmung mit einem mehr als acht Stunden langen Redemarathon hinaus. Er nutzte die Debatte für eine Generalabrechnung mit dem Präsidenten und den Demokraten. McCarthy warf ihnen vor, sie stürzten das Land mit ihrer Politik ins Verderben.
Erst vor knapp zwei Wochen hatte der Kongress ein anderes Kernvorhaben des Präsidenten verabschiedet: ein grosses Investitionsprogramm, mit dem die Infrastruktur des Landes modernisiert werden soll. Vorgesehen sind über die nächsten Jahre rund 550 Milliarden US-Dollar (476 Milliarden Euro) an neuen Investitionen in die Infrastruktur. Insgesamt – inklusive schon vorher veranschlagter Mittel – hat das Paket einen Umfang von mehr als einer Billion US-Dollar. (awp/mc/pg)