Truss kündigt steuerpolitische Kehrtwende an – Jeremy Hunt wird neuer Finanzminister
London – Die britische Premierministerin Liz Truss hat nach dem Rauswurf ihres Finanzministers erst kürzlich angekündigte Steuersenkungen teilweise wieder zurückgenommen. Es sei klar, dass Teile ihres sogenannten Mini-Budgets «weitergehend und schneller» waren, als die Märkte erwartet hatten, sagte Truss bei einer Pressekonferenz in London am Freitag. «Wir müssen jetzt handeln, um die Märkte von unserer fiskalen Disziplin zu überzeugen», so Truss weiter. Die Ankündigung massiver Steuersenkungen hatte zuvor zu Verwerfungen an den Finanzmärkten geführt.
Die Unternehmensteuer solle nun – wie von der Vorgängerregierung vorgesehen – doch erhöht werden, sagte Truss. An anderen Steuererleichterungen wollte sie zunächst festhalten. Zuvor hatte die erst vor gut fünf Wochen ins Amt gekommene konservative Politikerin ihren Finanzminister Kwasi Kwarteng entlassen. Zu seinem Nachfolger berief sie den früheren Aussen- und Gesundheitsminister Jeremy Hunt.
Truss lehnt Rücktritt ab
Einen Rücktritt lehnte Truss ab. Sie habe entschieden gehandelt und damit sichergestellt, dass das Land eine finanzielle Stabilität besitze. Truss sagte, sie werde immer im nationalen Interesse agieren. «Wir werden diesen Sturm überwinden.»
Die Regierungschefin beharrte darauf, dass ihre Politik niedrigerer Steuern und hoher Investitionsanreize richtig sei. Lediglich der Markt, den die Entscheidungen, die Steuern deutlich zu senken, irritiert hätten, sei der Grund, warum sie eine Kehrtwende einlege, sagte Truss. «Ich bin fest entschlossen, das zu halten, was ich versprochen habe.»
Kwarteng verteidigte in seiner Mitteilung seine Politik. «Den Status quo beizubehalten, war keine Option», schrieb er.
Kwartengs Nachfolger Jeremy Hunt, der bisherige Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im britischen Parlament, hatte sich im Sommer selbst um die Spitze der Konservativen Partei beworben, war aber nach wenigen Wahlgängen gescheitert. Während der Pandemie war der 55-Jährige einer der schärfsten Kritiker der Regierung.
Hintergrund für die Regierungskrise sind die heftigen Reaktionen der Finanzmärkte auf die Ende September ohne Pläne zur Gegenfinanzierung angekündigten Steuersenkungen. Das Pfund fuhr im Verhältnis zum US-Dollar in den Keller. Die Bank of England musste mehrmals intervenieren und Staatsanleihen kaufen, um deren Preisverfall aufzuhalten und den Kollaps von Pensionsfonds zu verhindern. Steigende Zinsen für Immobilienkredite verschärften für viele Hausbesitzer die Krise. (awp/mc/pg)