Selenskyj begrüsst Regierungschefs von Polen, Tschechien und Slowenien
Kiew – Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Regierungschefs von Polen, Tschechien und Slowenien in Kiew begrüsst. Selenskyj veröffentlichte am späten Dienstagabend auf Telegram ein Video, das ihn, den polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki, Tschechiens Regierungchef Petr Fiala und seinen slowenischen Kollegen Janez Jansa mit weiteren Gesprächsteilnehmern in einem fensterlosen Raum zeigt. «Ihr Besuch in Kiew in dieser für die Ukraine schwierigen Zeit ist ein starkes Zeichen der Unterstützung. Wir wissen das wirklich zu schätzen», sagte Selenskyj.
Zu sehen sind auf dem Video auch viele Journalisten, die vor dem Verhandlungsraum warten. Zuvor hatte Morawiecki auf Twitter mitgeteilt, dass er und seine Kollegen in Kiew angekommen seien. «Die EU unterstützt die Ukraine, die auf die Hilfe ihrer Freunde zählen kann – diese Botschaft haben wir heute nach Kiew gebracht», schrieb Morawiecki. Auch der ukrainische Regierungschef Denys Schmyhal sowie der polnische Vize Jaroslaw Kaczynski waren bei dem Gespräch dabei. Die Politiker aus Polen, Tschechien und Slowenien waren mit einem Zug nach Kiew gereist.
Die Reise war nach Angaben eines polnischen Regierungssprechers unter strengster Geheimhaltung in Absprache mit EU und Nato geplant worden. Die ukrainische Hauptstadt wird seit Beginn des russischen Angriffskriegs am 24. Februar immer wieder beschossen.
Zahlreiche Todesopfer bei neuen russischen Angriffen
Unterdessen gingen die russischen Attacken auf ukrainische Städte auch am 20. Kriegstag weiter. Bei einem Angriff auf einen Fernsehturm starben nahe der nordwestukrainischen Grossstadt Riwne nach ukrainischen Angaben 19 Menschen, 9 wurden verletzt. In der Nähe der südukrainischen Grossstadt Mykolajiw wurde eine Schule beschossen und sieben Menschen getötet. Das Ochmatdyt-Krankenhaus in Lwiw (Lemberg) nahe der polnischen Grenze ist nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks Unicef überlastet durch die Anzahl an verletzten Kindern, die aus umkämpften Regionen eintreffen.
Ukrainische Truppen haben derweil nach eigenen Angaben einen russischen Vorstoss in der umkämpften Hafenstadt Mariupol abgewehrt. Dabei seien etwa 150 Angreifer getötet sowie zwei Panzer und mehrere gepanzerte Fahrzeuge zerstört worden, teilte der ukrainische Generalstab am Dienstagmorgen mit. Mariupol am Asowschen Meer wird seit Tagen von Einheiten der russischen Armee und der prorussischen Separatisten belagert. Hunderttausende Menschen harren dort unter katastrophalen Bedingungen aus. Am Dienstag konnten sich nach Behördenangaben etwa 2000 Autos in Sicherheit bringen. Weitere 2000 Autos warteten demnach am Stadtrand. Ob ein Konvoi mit Dutzenden Tonnen Hilfsgütern und leeren Bussen für eine Evakuierung das von russischen Truppen eingeschlossene Mariupol erreicht hat, war am Nachmittag noch unklar.
Kiew: Verhandlungen mit Moskau werden konstruktiver
Die ukrainische Regierung sieht derweil Fortschritte bei den Verhandlungen mit Russland über ein Ende des Krieges. Die Gespräche seien «konstruktiver» geworden, sagte der ukrainische Präsidentenberater Ihor Showkwa am Dienstag der Agentur Unian zufolge. «In den ersten Runden war Russland nicht bereit, unsere Position anzuhören, sondern hat Ultimaten gestellt: dass die Ukraine sich ergibt, die Waffen niederlegt, dass unser Präsident eine Kapitulation unterzeichnet», sagte Showkwa. «Nun spricht Russland in einem etwas anderen Ton.»
Beide Seiten verhandelten am Montag und Dienstag in einer Videoschalte. Showkwa sagte, die ukrainische Delegation sei «verhalten optimistisch». Ein Durchbruch könne aber erst durch ein Eingreifen der Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und Wladimir Putin erreicht werden.
Frau mit Plakat im russischen TV kommt mit Geldbusse davon
Nach ihrem Protest im Staatsfernsehen gegen den russischen Angriffskrieg stand eine TV-Mitarbeiterin vor Gericht. Zuvor hatte es stundenlang keine Spur von Marina Owssjannikowa gegeben. Sie wurde zu einer Geldstrafe von 30’000 Rubel (226 Euro) verurteilt. Die Redakteurin des Ersten Kanals des russischen Staatsfernsehens hatte in den Hauptnachrichten am Montagabend ein Protestplakat gegen den Krieg in die Kamera gehalten. Auf dem Plakat war auch zu lesen, dass die Zuschauer «hier belogen» werden. Zunächst war befürchtet worden, die Frau könnte nach einem umstrittenen neuen Gesetz wegen Diffamierung der russische Armee verurteilt werden. Dabei drohen bis zu 15 Jahre Haft. Nach ihrem Protest wurde Owssjannikowa weltweit eine Welle der Anerkennung zuteil.
Sanktionen auf beiden Seiten
Als Reaktion auf US-Sanktionen hat Russland nun seinerseits Einreiseverbote gegen US-Präsident Joe Biden und andere US-Regierungsmitglieder verhängt. Das Aussenministerium in Moskau veröffentlichte am Dienstag eine «schwarze Liste» mit 13 Namen, darunter Aussenminister Antony Blinken und Verteidigungsminister Lloyd Austin. Es ist das erste Mal, dass Russland eine Liste betroffener Personen veröffentlicht.
Psaki spottet über Russland
Die US-Regierung reagierte mit Spott auf die von Russland verhängten Einreiseverbote gegen US-Präsident Joe Biden und andere US-Regierungsmitglieder reagiert. «Als erstes möchte ich anmerken, dass Präsident Biden ein Junior ist, so dass sie vielleicht seinen Vater sanktioniert haben. Möge er in Frieden ruhen», sagte die Sprecherin des Weissen Hauses, Jen Psaki, am Dienstag in Washington. Joe Bidens voller Name ist Joseph Robinette Biden, Jr. – sein Vater war Joseph Robinette Biden Sr. Psaki fügte hinzu: «Ich würde sagen, dass es niemanden von Ihnen überraschen wird, dass keiner von uns Touristenreisen nach Russland plant und keiner von uns Bankkonten hat, auf die wir nicht zugreifen können.»
Russland und Ukraine sprechen von militärischen Erfolgen
Sowohl Russland als auch die Ukraine berichten von militärischen Erfolgen. Die ukrainischen Streitkräfte haben nach eigenen Angaben an mehreren Fronten russische Angriffe abgewehrt. Nördlich von Kiew sei es russischen Kräften nicht gelungen, die Verteidigungsstellungen zu durchbrechen, teilte der ukrainische Generalstab am Dienstag mit. Auch die westlich der Hauptstadt gelegene Stadt Makariw hätten die Angreifer nicht einnehmen können.
Die russische Armee gab bekannt, dass sie das komplette Gebiet Cherson im Süden der Ukraine unter ihre Kontrolle gebracht habe. Dort leben rund eine Million Menschen. Bestätigt wurde die Besetzung von ukrainischer Seite zunächst nicht. Die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden.
Am Dienstagmorgen wurden in der Hauptstadt Kiew nach offiziellen Angaben in mehreren Bezirken insgesamt vier Wohngebäude von Raketen getroffen, mindestens zwei Menschen wurden getötet. Russische Truppen versuchen, die Hauptstadt von mehreren Seiten einzukreisen. (awp/mc/ps)