Mariano Rajoy, geschäftsführender spanischer Ministerpräsident. (Foto: © Gobierno de España / Pool Moncloa)
Madrid – Gut einen Monat nach der Parlamentsneuwahl blickt Spanien nach einem gescheiterten Treffen zwischen den beiden wichtigsten Parteichefs weiter in eine ungewisse Zukunft. Der geschäftsführende Ministerpräsident Mariano Rajoy konnte am Dienstag in Madrid Sozialistenführer Pedro Sánchez nicht dazu überreden, einer grossen Koalition zuzustimmen oder zumindest eine Minderheitsregierung der konservativen Volkspartei (PP) zu dulden.
«Wenn die Sozialisten auf ihrem Nein bestehen, wird es eine dritte Wahl geben», warnte Rajoy nach dem Treffen im Madrider Parlament. Der 61-Jährige, seit gut sieben Monaten nur noch «geschäftsführend» und somit mit weniger Befugnissen im Amt, meinte, es sei unter anderem von entscheidender Bedeutung, dass der Defizitsünder der EU-Kommission in Brüssel bis Oktober einen Etat für 2017 vorlegt.
Sánchez stimmte mit Rajoy überein, dass die viertgrösste Volkswirtschaft der Eurozone dringend eine voll funktionsfähige Regierung benötige. Die Verantwortung liege aber nicht bei den Sozialisten. «35 Tage sind schon seit der Neuwahl vergangen. Ich habe Rajoy gesagt, dass er endlich arbeiten und mit seinen potenziellen Koalitionspartnern verhandeln soll», sagte der Sozialist.
Keiner will mit Rajoy
Rajoy fand bisher keinen einzigen Bündnispartner. Ihm werden die vielen Korruptionsfälle sowie die strenge Sparpolitik vorgehalten. Als mögliche Koalitionspartner gelten vor allem die liberalen Ciudadanos (Bürger), die nach bisherigem Stand eine Kandidatur Rajoys dulden, aber keine Koalition bilden wollen. Mit zahlreichen kleineren konservative Regionalparteien will Rajoy nicht verhandeln, weil sie oft regionalnationalistisch und zum Teil sogar separatistisch eingestellt sind.
Rajoy hatte zuletzt gesagt, er würde auch eine Minderheitsregierung anführen. Diese wäre aber nur bei einer Enthaltung der Sozialisten möglich. Bei einer Bewerbung Rajoys um das Amt des Ministerpräsidenten würden die sozialistischen Abgeordneten nach Aussage von Sánchez aber alle mit «Nein» stimmen. Die Linke werde unter keinen Umständen die Rechte unterstützen, versicherte er.
Bei der Neuwahl vom 26. Juni hatte sich die PP zwar vor den Sozialisten als stärkste Partei behauptet, die im Dezember verlorene absolute Mehrheit allerdings erneut deutlich verpasst. (awp/mc/ps)