Der neue BBC-Chef Tim Davie muss die renommierteste öffentlich-rechtliche Sendeanstalt der Welt vor den massiven Umbauplänen der Regierung schützen – und will sie inhaltlich und finanziell radikal reformieren.
Kann schon sein, dass Tim Davie sich in diesen Tagen an die Aufregung im November 2012 erinnert. Als der damalige BBC-Chef George Entwistle das Handtuch warf, wurde er zu dessen Nachfolger bestellt, wenn auch nur übergangsweise. Auslöser für den Rücktritt war ein Fernsehbeitrag, in dem ein Politiker beschuldigt worden war, sich am Missbrauch von Kindern beteiligt zu haben. Die Vorwürfe erwiesen sich als haltlos. Ein Desaster für die BBC. Davie übernahm damals eine zutiefst verunsicherte Sendeanstalt. Nach knapp fünf Monaten machte er Platz für Tony Hall, der die Anstalt nach sieben Jahren verlässt und Kuratoriumsvorsitzender der National Gallery in London wird.
Nun steht Davie wieder an der Spitze der BBC. Der 53-Jährige ist seit 1. September Generaldirektor. Die öffentliche Aufregung ist zwar nicht so gross wie 2012, aber dafür lastet ein gewaltiger politischer Druck auf ihm.
Dass die Regierung ab und an die Berichterstattung kritisiert, ist nichts Neues für die British Broadcasting Corporation. In ihrer fast 100-jährigen Geschichte hat die wohl berühmteste öffentlich-rechtliche Sendeanstalt der Welt einige Versuche der Einflussnahme aus 10 Downing Street abgewehrt. Doch seit Premierminister Boris Johnson dort regiert, ist der Druck in einer Art und Weise gestiegen, die selbst langjährige BBC-Mitarbeiter nicht für möglich gehalten hätten. Johnson will die Anstalt radikal reformieren – inhaltlich und finanziell.
Die Zukunft einer nationalen Institution steht auf dem Spiel
Es geht dabei nicht nur um das Schicksal eines Senders, sondern um die Zukunft einer nationalen Institution. Die gesellschaftliche Rolle der BBC ist mit der keines anderen öffentlich-rechtlichen Senders vergleichbar. Die BBC wird, wie der Gesundheitsdienst NHS, von vielen Briten als Teil ihrer nationalen Identität empfunden. Nicht ohne Grund wird sie «Auntie» genannt, «Tantchen». Ihr Einfluss auch über Grossbritannien hinaus ist nicht zu unterschätzen: Mit ihrem Programm erreicht die BBC jede Woche mehr als 460 Millionen Menschen weltweit.