Ankara – Der russische Botschafter in der Türkei ist bei einem Attentat in der Hauptstadt Ankara von einem einheimischen Polizisten getötet worden. Der türkische Innenminister Süleyman Soylu sagte am Montagabend in Ankara, bei dem Attentäter habe es sich um einen 22-jährigen Polizisten gehandelt, der seit zweieinhalb Jahren in der Hauptstadt eingesetzt gewesen sei. Es werde untersucht, welche Verbindungen der Attentäter gehabt habe. Botschafter Andrej Karlow war an seinen Verletzungen gestorben, nachdem der Angreifer bei einer Ausstellungseröffnung in einer Galerie das Feuer auf ihn eröffnet hatte. Der Attentäter wurde anschliessend von Spezialkräften getötet.
Auf Videos ist zu sehen und hören, wie der Attentäter immer wieder «Allahu Akbar» – Gott ist gross – ruft, nachdem Karlow zusammengebrochen ist. Der Attentäter ruft auf Türkisch ausserdem «Vergesst nicht Aleppo» und «Vergesst nicht Syrien», während er neben dem leblos auf dem Boden liegenden 62-Jährigen herumläuft. Wer für die Grausamkeiten verantwortlich sei, werde bezahlen.
Russland und die Türkei sprachen von einem Terrorakt. Die Präsidenten Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan bezeichneten das Attentat übereinstimmend als Provokation, die das zwischenstaatliche Verhältnis stören soll. «Wir müssen wissen, wer die Hand des Mörders führte», sagte Putin der Agentur Interfax zufolge am Montag in Moskau. Als Antwort auf den Mord werde Russland seinen Kampf gegen den Terror verstärken. «Die Banditen werden es zu spüren bekommen.»
Gemeinsame Ermittlertruppe
Putin ordnete die Bildung einer Ermittlergruppe an, die gemeinsam mit türkischen Behörden die Bluttat untersuchen soll. Auch Erdogan kündigte in einer am Abend im Fernsehen übertragenen Ansprache eine gemeinsame Untersuchungskommission an. Erdogan und Putin hatten kurz nach dem Attentat miteinander telefoniert.
Der mit Anzug und Krawatte gekleidete Angreifer hatte von hinten auf den Diplomaten geschossen, der die Eröffnungsansprache bei der Ausstellung hielt. Unmittelbar nach den Schüssen ruft der Angreifer zunächst auf Arabisch: «Wir sind diejenigen, die dem Propheten Mohammed Treue und dem Dschihad Treue schwören.» Diesen Satz rufen auch syrische Islamisten, wenn sie ins Gefecht ziehen.
An diesem Dienstag wollen die Aussenminister der Türkei, Russlands und des Irans in Moskau über den Syrien-Konflikt beraten. Das Treffen stehe trotz des Attentats weiter auf der Tagesordnung, sagte der russische Aussenpolitiker Leonid Sluzki nach Angaben der Agentur Interfax. Moskau und Teheran unterstützen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Die Türkei will eine Zukunft für Syrien ohne Assad.
Ankara und Moskau hatten sich zuletzt wieder deutlich angenähert, nach einer schweren Krise 2015. Damals hatte die Türkei einen russischen Kampfjet im Grenzgebiet zu Syrien abgeschossen, der Kreml verhängte Sanktionen.
Die syrische Regierung verurteilte das Attentat auf den russischen Botschafter scharf. Damaskus spreche Moskau und der russischen Bevölkerung sowie der Familie des Opfers Beileid aus, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Sana unter Berufung auf das Aussenministerium. Das abscheuliche Verbrechen unterstreiche erneut die Notwendigkeit, Terrorismus mit allen Mitteln zu bekämpfen.
Auch Europarats-Generalsekretär Thorbjørn Jagland verurteilte das Attentat. «Ich bin erschüttert und tief betrübt über die Ermordung des Botschafters der Russischen Föderation in der Türkei heute in Ankara. (…) Wir alle hier beim Europarat drücken unsere Solidarität mit unserem Mitgliedstaat Russland aus.»
Weitere Verletzte
Nach offiziellen Angaben wurden drei weitere Besucher der Ausstellung bei dem Attentat verletzt, darunter ein Ausländer. Nach dem Attentat wurden einem Medienbericht zufolge zwei Familienangehörige des getöteten Angreifers festgenommen. Es handele sich um die Mutter und Schwester des Attentäters, meldete die Nachrichtenagentur DHA. Das Haus der Familie in Söke in der westtürkischen Provinz Aydin sei von der Polizei durchsucht worden. (awp/mc/upd/ps)