Moskau – Nach Angaben des Vizechefs des russischen nationalen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, haben seit Januar mehr als 231’000 Russen ihre Dienste im Krieg gegen die Ukraine angeboten und einen Vertrag mit dem Verteidigungsministerium unterschrieben. Es sei einiges getan worden, um den Militärdienst attraktiver zu machen, sagte der frühere Kremlchef am Donnerstag bei einer Versammlung zur Ausstattung der Streitkräfte.
Die von Medwedew unter Berufung auf Militärangaben genannte Zahl ist damit etwa doppelt so hoch wie die vom Mai, als er von 117’000 Freiwilligen und Zeitsoldaten gesprochen hatte. Nach Darstellung Medwedews sind in den vergangenen Monaten zahlreiche organisatorische, wirtschaftliche und soziale Schritte eingeleitet worden, um mehr Freiwillige anzuziehen. Die Kriegsdienstleistenden und ihre Familien würden auch besser sozial abgesichert, sagte er.
Die genauen Zahlen über die Stärke und Neuaufstellungen der russischen Armee sind wegen des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine schwer zugänglich. Moskau hatte nach massiven Kriegsverlusten im vergangenen Jahr bei einer Teilmobilmachung rund 300’000 Reservisten eingezogen. Zugleich flohen damals aber auch Zehntausende vor einem möglichen zwangsweisen Kriegseinsatz gegen die Ukraine ins Ausland. Russische Truppen hatten die Ukraine Ende Februar 2022 überfallen.
Blinken: «Hunger darf nicht als Waffe eingesetzt werden»
Nach der Aufkündigung des Getreideabkommens durch Russland warnen die USA vor einer Blockade von Nahrungsmitteln in Konflikten. «Hunger darf nicht als Waffe eingesetzt werden», sagte US-Aussenminister Antony Blinken am Donnerstag vor dem UN-Sicherheitsrat in New York.
Er präsentierte eine gemeinsame Erklärung mit über 90 Unterzeichnerstaaten, darunter Deutschland. Diese verpflichten sich zu Massnahmen, um den Einsatz von Nahrungsmitteln als Kriegswaffe und das Aushungern von Zivilisten als Kriegstaktik zu beenden. «Ich fordere alle Mitgliedstaaten auf, sich diesem Kommuniqué anzuschliessen», sagte Blinken.
Der US-Aussenminister kritisierte Russland, das im Juli das Abkommen zur Ausfuhr von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer trotz vieler internationaler Appelle auslaufen liess. «Jedes Mitglied der Vereinten Nationen sollte Moskau sagen: Genug! Genug, das Schwarze Meer als Erpressung zu nutzen. Genug, die am stärksten gefährdeten Menschen der Welt als Druckmittel zu behandeln.» Auch die deutsche UN-Botschafterin Antje Leendertse kritisierte Russland scharf und forderte das Land zum sofortigen Wiedereintritt in das Abkommen auf.
Selenskyj spricht von schweren Kämpfen
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selensykj sprach unterdessen in seiner allabendlichen Ansprache von schweren Kämpfe im Osten und Süden des Landes. «Die Besatzer versuchen mit aller Kraft, unsere Jungs aufzuhalten. Die Angriffe sind sehr brutal», sagte Selenskyj in einem Video, das am Donnerstagabend auf seinem Telegram-Kanal veröffentlicht wurde. Er lobte zudem das Militär im ukrainisch-rumänischen Grenzgebiet um die Hafenstadt Ismail für ihre Bekämpfung russischer Kamikaze-Drohnen.
Selenskyj zufolge setzte Russland seit Beginn des Krieges mindestens 1961 Shahed-Drohnen gegen die Ukraine ein. Die Vergrösserung der Zahl von Luftabwehrsystemen ist daher laut Selenskyj Aufgabe jedes ukrainischen Botschafters und jedes ukrainischen Vertreters im Ausland.
EU weitet Sanktionen gegen Belarus aus
Die Europäische Union weitet die Sanktionen gegen Russlands Verbündeten Belarus wegen des Angriffskriegs in der Ukraine aus. Die Strafmassnahmen sollen nach Angaben der EU-Kommission unter anderem dazu führen, dass die bereits geltenden Sanktionen gegen Russland nicht über Belarus umgangen werden können. Die Massnahmen wurden am Donnerstag im EU-Amtsblatt veröffentlicht und somit in Kraft gesetzt.
Demnach verhängten die EU-Länder ein Exportverbot für Technologien, die in der Luft- und Raumfahrtindustrie eingesetzt werden können, wie zum Beispiel Drohnen. Ausserdem sind künftig der Verkauf, die Lieferung oder die Ausfuhr von Schusswaffen und Munition verboten. Ausgeweitet wurde zudem das Exportverbot für Güter und Technologien, die sowohl zivil als militärisch genutzt werden können.
Ausserdem wurden 38 Personen und drei Organisationen aus Belarus sanktioniert. Sie tragen den Angaben zufolge zur Unterdrückung der belarussischen Zivilgesellschaft bei und sind für Menschenrechtsverletzungen im Land verantwortlich.
Was am Freitag wichtig wird
Laut Kremlsprecher Dmitri Peskow wird die Regierung in Moskau am Freitag den Text einer gemeinsamen Erklärung von Präsident Wladimir Putin und sieben afrikanischen Ländern zu ihrer «Friedensmission» in der Ukraine veröffentlichen. (awp/mc/ps)