Kiew – Das Grauen in der Ukraine geht unvermindert weiter: Auch am Montag hat das russische Militär ukrainische Städte aus der Luft angegriffen. Allein in der Millionenstadt Charkiw im Osten des Landes wurden seit Beginn des russischen Angriffskriegs vor gut einem Monat ukrainischen Angaben zufolge fast 1180 mehrgeschossige Wohnhäuser zerstört. Ukrainische Truppen starteten eigenen Angaben zufolge erfolgreiche Gegenangriffe in der Umgebung von Charkiw. In Istanbul könnten am Dienstag laut Kreml neue Verhandlungen zwischen Delegationen aus der Ukraine und aus Russland beginnen. Derweil erwägt Deutschland den Aufbau eines Raketenabwehrsystems.
Nach ukrainischen Medienberichten wurden in der Nacht zum Montag unter anderem die Hauptstadt Kiew sowie Luzk, Riwne und Charkiw von mehreren schweren Explosionen erschüttert. Der Charkiwer Bürgermeister Ihor Terechow sagte nach Angaben der Agentur Unian, neben den knapp 1180 zerstörten Wohnhäusern in seiner Stadt seien mehr als 50 Kindergärten, fast 70 Schulen und 15 Krankenhäuser vernichtet worden. Rund 30 Prozent der Bevölkerung hätten die Stadt verlassen. Die Menschenrechtsbeauftragte des ukrainischen Parlaments, Ljudmyla Denissowa, teilte auf Telegram mit, seit Beginn des Kriegs seien mindestens 143 Kinder getötet und 216 verletzt worden. Die Angaben liessen sich nicht unabhängig überprüfen.
Kiew: Erfolgreiche Gegenangriffe
Russische Truppen wollen ukrainischen Angaben zufolge weiterhin Verteidigungslinien im Umkreis von Kiew durchbrechen. Im Nordwesten und im Osten wehre die ukrainische Armee Versuche russischer Soldaten ab, die Kontrolle über wichtige Strassen und Siedlungen zu übernehmen. Bei den ukrainischen Gegenangriffen in der Umgebung von Charkiw seien russische Truppen aus mehreren Ortschaften verdrängt worden, sagte der regionale Militärchef Oleg Synegubow auf Telegram. Der ukrainische Generalstab berichtete auch von Kämpfen in anderen Landesteilen – darunter in den Regionen Mykolajiw und Saporischschja. Auch diese Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Kreml: Neue Verhandlungen in Istanbul möglich
«Wir erwarten, dass das theoretisch morgen passieren könnte», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge zu neuen Verhandlungen. Zuvor hatte bereits der russische Delegationsleiter Wladimir Medinski mitgeteilt, dass nach rund zweiwöchigen Online-Verhandlungen ein physisches Aufeinandertreffen ab Dienstag geplant sei. Die Unterhändler aus der Ukraine und aus Russland waren bereits dreimal im Grenzgebiet von Belarus zusammengetroffen. Die Verhandlungen gestalten sich aber als äusserst schwierig. Kiew will etwa einen Abzug der russischen Truppen und Sicherheitsgarantien. Moskau fordert einen Nato-Verzicht der Ukraine sowie eine Anerkennung der abtrünnigen ostukrainischen Separatistengebiete als eigene Staaten und der 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim als Teil Russlands.
Derweil forderte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einem Interview mit russischen Journalisten einen Abzug russischer Truppen von ukrainischem Territorium. Erst dann könne es Sicherheitsgarantien für die Ukraine geben, die wiederum Grundlage für den von Moskau geforderten Nato-Verzicht der Ukraine seien.
Biden dementiert Forderung nach Machtwechsel in Russland
US-Präsident Joe Biden dementierte, dass er bei seiner Rede in Warschau den Sturz des russischen Präsidenten gefordert habe. Eine Reporterin fragte Biden am Sonntagabend: «Herr Präsident, wollen Sie, dass Putin (von seinem Amt) entfernt wird? Herr Präsident, haben Sie einen Regimewechsel gefordert?» Biden antwortete: «Nein.» Biden hatte Putin am Samstagabend einen «Diktator» genannt und gesagt: «Um Gottes willen, dieser Mann kann nicht an der Macht bleiben.» (awp/mc/pg)