Sanierer Geiwitz lässt im Fall Benko rechtliches Konstrukt offen
Wien – Auch ohne zuletzt operativer Tätigkeit im Konzern könnte sich Ex-Signa-Lenker Benko als «faktischer Geschäftsführer» im Fall des Falles auch etwaigen Haftungsfragen stellen müssen.
Auch am Tag nach der Entmachtung von Signa-Mastermind Rene Benko durch seine milliardenschweren Investoren sind Fragen rund um den angeschlagenen Immobilien- und Handelskonzern offen. Fakt ist, Sanierer Arndt Geiwitz übt die bisherigen Stimmrechte von Benko aus – was für ein rechtliches Konstrukt dahinter steht, ist offen. Laut Ö1-«Mittagsjournal» vom Donnerstag will Geiwitz bis Ende November klarmachen, wie er sich die Restrukturierung vorstellt, was unbedingt notwendig ist.
Der Signa-Konzern mit einer Bilanzsumme von zuletzt 27 Milliarden Euro bleibt weiterhin undurchsichtig. Wer, wo in der Signa wie viel einschiessen wird müssen, will Geiwitz laut Radio-Bericht auch in spätestens drei Wochen wissen. Das Geiwitz-Team und zwei Anwaltskanzleien schauen sich in dieser Zeit die wichtigsten Immobilienbereiche der Signa an, deren Gesamtvermögen wie berichtet auf 20 Milliarden Euro geschätzt wird. Sie prüfen weitere Geschäftsaussichten für Gebäude – also wo etwas verdient werden kann, wo es Kaufinteressenten gibt.
Globus könnte verkauft werden
Gespräche würden in Europa und im arabischen Raum mit potenziellen Geldgebern geführt. Wichtig werden auch Verhandlungen mit geldgebenden Banken, so Ö1 ohne Angabe von Quellen. Demnach verdichteten sich auch unbestätigte Angaben, wonach die Signa auf ihren Kernbereich der Immobilien schrumpfen könnte. Dann könnten in der Schweiz Globus und in Deutschland die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof verkauft werden.
Die Zeitung «Presse» (Donnerstag) wirft die Frage auf, ob Benko trotz seit Jahren fehlender tatsächlicher operativer Funktion in seinem Lebenswerk nicht doch womöglich «faktischer Geschäftsführer» war, den im Fall des Falles Haftungsfragen treffen können. Für Beobachter steht jedenfalls ausser Zweifel, dass Benko bis zur Übergabe an Geiwitz das Sagen hatte. Selbst nannte sich Benko angeblich auch des Öfteren «Chairman». Über seine Familienstiftung hält der 46-Jährige indirekt die Mehrheit der Anteile an seinem «Baby».
Verbindlichkeiten im vielfachen Milliardenbereich
Jetzt muss Geiwitz eine Ausweitung des Liquiditätsengpasses verhindern. Zuletzt gab es etwa einem Baustopp an einem der Prestigeprojekte schlechthin – dem Hamburger Elbtower. Die Verbindlichkeiten liegen im vielfachen Milliardenbereich, schreiben Medien. Insgesamt wird über bis zu 15 Mrd. Euro geschrieben, etwa von der «Kronen Zeitung» an der Benko – Signa-Kerngeschäft untypisch – wie am «Kurier» auch Anteile hält. Auch diese Beteiligungen dürfte sich Geiwitz genau anschauen. Die kurzfristigen Schulden sollen sich auf 2 Mrd. Euro belaufen – davon noch heuer zu bedienen: 1,3 Mrd. Euro.
Dass es dafür in der Judikatur längst eine Bezeichnung gibt, thematisierte Rechtsanwalt Alfred Nemetschke in einem LinkedIn-Beitrag, so die «Presse». Mit einem «faktischen Geschäftsführer» sei eine Person gemeint, die formal nicht zum Geschäftsleiter bestellt ist, aber im Unternehmen die Fäden zieht. Und deshalb auch entsprechende Verantwortung trägt. Samt vollem Haftungsrisiko.
«Faktischer Geschäftsführer ist, wer – ohne förmlich bestellt zu sein – massgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung nimmt, womit es nicht darauf ankommt, ob es sich um einen Angestellten, Gesellschafter, Angehörigen oder Aussenstehenden handelt», lautet dazu ein Rechtssatz des Obersten Gerichtshofs (OGH, RS0119794), geht aus dem Zeitungsbericht hervor. Wer diese Rolle einnimmt, hat auch die Pflichten eines Firmenchefs. Geht es dabei um Rechtshandlungen, die bestellten Geschäftsleitern vorbehalten sind, muss er auf diese entsprechend einwirken. Ob jemand diese Rolle einnimmt, ist laut Judikatur jeweils im Einzelfall zu beurteilen.
Medienanfragen unbeantwortet
Während sich die Investoren in besseren Zeiten gerne mit ihren Invests in die Signa und auch das Talent Benkos rühmten, herrscht nun Schweigen. Benko-Investor Hans Peter Haselsteiner liess aktuell nur wissen, dass nunmehr das Büro von Geiwitz informiere. Dieses verwies auf die Signa, die seit Wochen nicht auf Medienanfragen reagiert und bisher nur gestern eine einseitige Presseinformation versendete.
Geiwitz soll laut Zeitung «Der Standard» unter Berufung auf Insider weder Benkos Stimmrechte noch dessen Anteile übertragen bekommen haben. Eine komplexe rechtliche Lösung sorge dafür, dass Geiwitz Benkos Stimmrechte repräsentiert, auch ohne Übertragung. Eine zeitliche Limitierung soll es nicht geben. Es ist schliesslich auch offen wie lang es braucht, bis Benkos «Baby» gesundet – und unter welchen Umständen das möglich ist. (awp/mc/ps)