Schleppender Auftakt zu Parlamentswahlen in Italien

Pier Luigi Bersani

Der Favorit: Pier Luigi Bersani.

Rom – Die mit Hochspannung erwartete Parlamentswahl in Italien hat mit einer mässigen Beteiligung der Wähler begonnen. Bei Schliessung der Wahllokale um 22.00 Uhr betrug die Wahlbeteiligung 55,17 Prozent. Das waren nach Angaben der Wahlkommission vom Sonntagabend deutlich weniger als zu diesem Zeitpunkt vor fünf Jahren. Damals hatte die Beteiligung bei 62,55 Prozent gelegen. Schnee im Norden und Regen im Süden hatten vielerorts einen reibungslosen Ablauf behindert.

In einer Zeit anhaltender tiefer Rezession und drohender Instabilität bestimmen die Italiener beide Kammern ihres Parlaments neu. Die Finanzmärkte und europäische Politiker befürchten eine Hängepartie ohne klare Mehrheit oder auch eine Rückkehr des umstrittenen Ex-Regierungschefs Silvio Berlusconi.

Erste Hochrechnungen am frühen Montagabend erwartet
Die Wahllokale waren seit dem Morgen für den zweitägigen Urnengang geöffnet. Mit aussagekräftigen Hochrechnungen zum Ergebnis der Parlamentswahlen wird am frühen Montagabend gerechnet. Starken Auftrieb hatte in der Schlussphase des Wahlkampfs die populistische Protestbewegung «Fünf Sterne» von Beppe Grillo. Sie könnte ein erheblicher Störfaktor bei der Regierungsbildung sein.

Als Favorit gilt das Mitte-Links-Bündnis mit Spitzenkandidat Pier Luigi Bersani. Grillo und das Mitte-Rechts-Lager Berlusconis schienen sich vor dem Urnengang ein Rennen um den zweiten Rang zu liefern. Das Bündnis der Mitte des Ex-EU-Kommissars und scheidenden Regierungschefs Mario Monti droht abgeschlagen zur viertstärksten Kraft zu werden. Dies könnte eine Koalition für eine stabile Regierungsmehrheit erschweren, sollte ein Bündnis notwendig sein.

«Basta Berlusconi»
Monti wählte am Sonntag früh in Mailand, er äusserte sich vor den Journalisten nicht. Bersani gab seine Stimme in Piacenza ab und war dabei vor den Medien zu Scherzen aufgelegt. Auch Berlusconi wählte in Mailand. Dort begrüssten ihn drei Frauen der feministischen Bewegung Femen barbusig und riefen «Basta Berlusconi». Sie wurden abgeführt. Berlusconi hatte am Samstag noch die Regel gebrochen, wonach die Wahlkämpfer am Tag vor Wahlen schweigen, und erneut Italiens Justiz attackiert, von der er sich verfolgt fühlt.

Finanzmärkte und europäische Politik setzen auf eine Koalition Bersanis mit Monti, die beide den eingeschlagenen Reformkurs fortsetzen wollen. Dem im Weg stehen könnte der Linksaussen des Mitte-Links-Bündnisses, Nichi Vendola. Berlusconi und Grillo vertreten hingegen deutlicher eine europakritische Haltung. Die Schicksalswahl hat sowohl für das Krisenland Italien als auch für den gesamten Euroraum erhebliche Bedeutung. Die drittgrösste Volkswirtschaft der Währungsunion braucht eine stabile Regierung, um die tiefe Rezession hinter sich zu lassen. Die Finanzmärkte und etliche europäische Politiker befürchten angesichts eines möglichen Patts der Bündnisse im Senat eine Unregierbarkeit des Landes.

Wahllokale bis 15 Uhr geöffnet
Der parteilose Regierungschef Mario Monti war im Dezember zurückgetreten. Staatschef Giorgio Napolitano hatte daraufhin das Parlament aufgelöst. Die Parlamentswahl wurde leicht vorgezogen. Sie findet damit, für Italien unüblich, im Winter statt.

Die Wahllokale, am Sonntag bis 22.00 Uhr geöffnet, machen am Montag von 07.00 bis 15.00 Uhr wieder auf. In der Lombardei sowie den Regionen Latium und Molise gibt es gleichzeitig Regionalwahlen. (awp/mc/pg/upd/ps)

Exit mobile version