Berlin – Der deutsche Kanzler Olaf Scholz erkennt beim russischen Präsidenten Wladimir Putin keinerlei Änderung in seiner Haltung zum Krieg gegen die Ukraine. «Leider kann ich Ihnen nicht sagen, dass dort jetzt die Einsicht gewachsen ist, dass das ein Fehler war, diesen Krieg zu beginnen», sagte Scholz am Mittwoch in Berlin mit Blick auf sein 90-minütiges Telefonat mit Putin. «Es hat sich auch nicht angedeutet, dass dort jetzt neue Haltungen entstehen.»
Es sei trotzdem richtig, miteinander zu sprechen und Putin die eigene Sicht der Dinge darzulegen, betonte Scholz. «Denn ich bin fest davon überzeugt, dass Russland sich zurückziehen muss, seine Truppen zurückziehen muss, damit ein Frieden eine Chance hat in der Region. Und jeden Tag wird mir deutlich, dass das die einzige Perspektive ist.»
Scholz hatte am Dienstag zum ersten Mal seit dreieinhalb Monaten wieder mit Putin telefoniert. Er drang darauf, dass es so schnell wie möglich zu einer diplomatischen Lösung und einem vollständigen Rückzug der russischen Truppen kommen müsse.
Guterres nach Putin-Telefonat: Chance auf Friedensabkommen ‹minimal›
Auch UN-Generalsekretär António Guterres sieht nach einem Gespräch mit Russlands Präsident Wladimir Putin momentan keine Hoffnung auf baldige Friedensverhandlungen zwischen Moskau und Kiew. «Es wäre naiv zu glauben, dass wir der Möglichkeit eines Friedensabkommens nahe sind», sagte Guterres am Mittwoch in New York. Zwar seien die Vereinten Nationen bereit, in jeglicher Hinsicht an einer diplomatischen Lösung zu arbeiten, die Chancen dafür seien gegenwärtig aber «minimal». Guterres war einige Minuten zu spät zur Pressekonferenz im UN-Hauptquartier in Manhattan erschienen, weil er zuvor mit dem russischen Präsidenten telefoniert hatte.
In der kommenden Woche beginnt bei den Vereinten Nationen in New York die Generaldebatte der UN-Vollversammlung. Putin wird nicht daran teilnehmen, Aussenminister Sergej Lawrow vertritt Russland. Für die Ukraine ist eine Rede von Präsident Wolodymyr Selenskyj geplant – ob diese persönlich oder virtuell stattfindet, blieb zunächst unklar. Ukrainische Streitkräfte hatten zuletzt eine Gegenoffensive im Osten des Landes gestartet und Land von den Russen zurückerobert.
«Die Vollversammlung tritt in einer Zeit grosser Gefahr zusammen. Die geostrategischen Gräben sind so gross wie seit mindestens dem Kalten Krieg nicht mehr», sagte Guterres weiter. Die Vereinten Nationen hatten im Ukraine-Krieg zusammen mit der Türkei bereits erfolgreich zwischen Russland und der Ukraine verhandelt – vor allem bei dem Deal zur Ausfuhr von Millionen Tonnen Getreide aus der Ukraine über das Schwarze Meer.
Der Kreml teilte zu dem Telefonat mit, beide Seiten seien sich einig, dass das ukrainische Getreide vor allem in die ärmeren Länder Afrikas, Lateinamerikas und des Nahen Ostens geliefert werden sollte. Russland kritisiert, dass angeblich ein grosser Teil der Ausfuhren in Europa landet. Ein zweiter Moskauer Kritikpunkt ist, dass es immer noch Barrieren gegen russische Exporte von Getreide und Düngemitteln gebe. Guterres habe gesagt, dass an deren Abbau gearbeitet werde.
Russische Raketen treffen Wasserkraftwerk bei Krywyj Rih
Die zentralukrainische Industriestadt Krywyj Rih ist nach ukrainischen Angaben am Mittwoch von russischen Marschflugkörpern getroffen worden. Präsident Wolodymyr Selenskjyj bestätigte, dass ein Wasserkraftwerk am Fluss Ingulez beschädigt worden sei. Er sprach von einem Versuch, seine Heimatstadt unter Wasser zu setzen. Nicht verifizierte Videos zeigten, dass der Wasserstand des Ingulez rasch anstieg. «Alles was die Besatzer können ist Panik zu säen, eine Notlage zu schaffen, Menschen ohne Licht, Wärme, Wasser oder Lebensmittel zu lassen», schrieb Selenskyj auf Telegram. «Kann uns das brechen? Keineswegs.»
Durch den «massiven Raketenangriff» seien hydrotechnische Anlagen schwer beschädigt worden, teilte auch der Verwaltungschef des Gebietes Dnipropetrowsk, Valentin Resnitschenko, mit. In einigen Teilen der Stadt sei die Wasserversorgung ausgefallen. (awp/mc/pg)