Bern – Die Schweiz ist bereit, eine Ukraine-Friedenskonferenz zu organisieren und den Wiederaufbau in dem Land zu unterstützen. Sie habe dies dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj versichert, gab Bundespräsidentin Viola Amherd nach dem offiziellen Besuch Selenskyjs in Bern bekannt.
Die Vorbereitungen würden umgehend unter Führung des Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) beginnen, sagte Amherd nach dem Treffen mit Selenskyj auf dem Landsitz Lohn bei Bern vor den Medien. «Die Arbeit beginnt morgen», so Amherd. Ein mögliches Datum für die Konferenz auf höchster Ebene nannte sie nicht.
Teilnehmerkreis offen
Auch der Teilnehmerkreis ist offen. Amherd wünschte sich eine möglichst breit abgestützte Konferenz mit möglichst vielen teilnehmenden Ländern. Selenskyj äusserte sich auf eine Journalistenfrage offen gegenüber allen jenen Ländern, die die Souveränität und Integrität der Ukraine achteten.
Die Führung jener 83 Staaten, die an der Friedensformel-Konferenz vom Sonntag dabei gewesen seien, sollte in den Augen Selenskyjs auch an der Friedenskonferenz mitreden. Angreifer Russland war am Treffen vom Sonntag nicht dabei. Auf eine entsprechende Frage sagte Selenskyj, er wünsche einen Anschluss Chinas an die Friedensformel.
Die Details für eine allfällige Friedenskonferenz müssten noch vertieft geprüft werden, sagte Amherd. Die Schweiz wolle sich auch in Zukunft für einen gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine einsetzen, und sie wolle den Fokus auf den Wiederaufbau der Ukraine legen.
Dieser sei von strategischer Bedeutung für die Stabilität des Kontinents. Als politischer Kompass für den Wiederaufbau dienten die Lugano-Prinzipien der Ukraine Recovery Conference (URC2022) von Juli 2022. Im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit bis 2028 habe die Schweiz 1,5 Milliarden eingeplant.
Dank von Selenskyj
Priorität habe zudem die humanitäre Räumung von Minen, für die sich die Schweiz engagiert, sagte Amherd. Land ohne Minen sei Voraussetzung dafür, dass die Menschen zurückkehrten und wieder Landwirtschaft betrieben werden könne. Eine Konferenz zur Minenräumung ist laut Amherd im Oktober in Genf geplant.
Selenskyj bedankte sich für dieses Schweizer Engagement. Dank guter Freunde könne im kommenden Frühjahr mit den Arbeiten begonnen werden, sagte er. Tausende Quadratkilometer seines Landes seien vermint.
Dank äusserte Selenskyj auch für die Schweizer Unterstützung der Sanktionspakete der EU. Mit Blick auf in der Schweiz gesperrte russische Vermögenswerte forderte der ukrainische Präsident eine «gerechte Bestrafung» für jene, die sein Land angegriffen haben ohne dass die Ukraine sie provoziert habe.
Selenskyjs sprach am Montag nicht nur mit Amherd, sondern auch mit Aussenminister Ignazio Cassis und Justizminister Beat Jans. Gespräche führte er zudem mit Nationalratspräsident Eric Nussbaumer (SP/BL) und Ständeratspräsidentin Eva Herzog (SP/BS) sowie den Spitzen der Parlamentsfraktionen und Parteien.
Nussbaumer und Herzog hätten den Gast über laufende Arbeiten im Parlament orientiert, teilten die Parlamentsdienste nach dem Besuch mit. Sie hätten erklärt, wie wichtig eine langfristige Unterstützung für die Ukraine und deren Wiederaufbau sei und hätten auf die anhaltende Unterstützung und grosse Verbundenheit der Schweiz mit den Ukrainerinnen und Ukrainern hingewiesen.
Weiterreise nach Davos
Die SVP war in den Gesprächen mit Delegationen der Parteien nicht vertreten, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur Keystone-SDA feststellte. Die Volkspartei, die auf die Schweizer Neutralität pocht, hatte bereits im Juni Kritik geübt, als Selenskyj – per Videoschaltung – eine Rede im Schweizer Parlament gehalten hatte. Die meisten Fraktionsmitglieder hatten damals den Saal verlassen.
Die Schweiz empfing am Montag gleich zwei hohe Staatsgäste – neben Selenskyj war der chinesische Minsterpräsident Li Qiang zu einem offiziellen Besuch angereist. Einschränkungen und Absperrungen für die Sicherheit waren die Folge.
Am (morgigen) Dienstag werden Li Qiang und der ukrainische Präsident am Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos GR erwartet. Selenskyj will dort bilaterale Treffen abhalten mit Vertretungen von EU und Nato. Das Ziel sei es, die Integration der Ukraine in den Euro-Atlantischen Raum voranzubringen, schrieb er auf X (ehemals Twitter). Auch wolle er in Davos Leader und Wirtschaftschefs treffen, mit dem Ziel, die Verteidigungsfähigkeit und Resilienz seines Landes zu stärken. (awp/mc/ps)