Bern / Buenos Aires – Die Schweiz und die übrigen Efta-Länder haben sich mit dem südamerikanischen Handelsblock Mercosur über ein Freihandelsabkommen geeinigt. Dies gab Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro am Freitag im Kurznachrichtendienst Twitter bekannt.
«Ein weiterer grosser Sieg für unsere Diplomatie zur Öffnung des Handels», schrieb Bolsonaro zur Einigung. Details sind bislang nicht bekannt. Mit dem Abkommen wollten die Efta-Länder Schweiz, Norwegen, Island sowie Liechtenstein und die vier Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay, und Paraguay die Zölle auf Industriegütern teilweise oder ganz abbauen. Das Abkommen muss in den Vertragsstaaten noch ratifiziert werden.
Ein Sprecher des Schweizer Wirtschaftsdepartements bestätigte am Freitagabend gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA den Abschluss. Details nannte er nicht. Wirtschaftsminister Guy Parmelin, der sich bei Bekanntwerden des Deals anlässlich der Berufsweltmeisterschaften in Russland aufhielt, will sich am Samstag zum Durchbruch äussern.
Argentiniens Wirtschaftsminister Horacio Reyser bezeichnete das Abkommen auf Twitter als «einen neuen Erfolg im internationalen Integrationsprozess Argentiniens, der unsere historische Verbindung zum europäischen Kontinent vertieft und regelt». Die Schweiz und Norwegen hätten grosses Potenzial für Investitionen. Im Markt der beteiligten südamerikanischen Staaten leben rund 260 Millionen Konsumenten.
Industrie fordert Abkommen
Über das Freihandelsabkommen wurde während zweier Jahre verhandelt. Die Treffen dazu fanden in Genf und in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires statt. Die Schweizer Industrie forderte mit Nachdruck ein Abkommen. Schweizer Firmen sollten gegenüber der EU-Konkurrenz in den Mercosur-Ländern nicht mehr benachteiligt werden. Im Juni hatten die EU und die Mercosur-Staaten eine Einigung über einen gemeinsamen Handelspakt erzielt.
Das Freihandelsabkommen ist in der Schweiz umstritten. Die Landwirtschaft etwa erwartet hohen Druck auf die Preise von Rindfleisch, Poulet, Ölsaaten und Zucker durch mehr Importe aus Südamerika.
Frankreich und Irland drohen mit Blockade
Allerdings kündigten Frankreich und Irland am Freitag wegen den Amazonas-Bränden eine Blockade des Freihandelsabkommens an. Der französische Präsident sei zu dem Schluss gekommen, dass der brasilianische Präsident Bolsonaro ihn über seine Umweltschutz-Absichten «belogen» habe, sagte ein hochrangiger Mitarbeiter von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. «Unter diesen Umständen lehnt Frankreich das Mercosur-Abkommen in seiner jetzigen Form ab», hiess es.
Die Regierung in Paris sieht das Mercosur-Abkommen schon länger kritisch, auch aus Sorge um französische Landwirte. Sie hatte sich Anfang Juli gegen eine rasche Ratifizierung des von der EU ausgehandelten Vertrags ausgesprochen und zusätzliche «Garantien» etwa für den Schutz des Amazonas-Regenwaldes verlangt.
Auch Irland droht angesichts der Brände im Amazonas mit einem Veto: «Ich bin sehr besorgt, dass in diesem Jahr ein Rekordniveau an Zerstörung von Amazonaswald durch Feuer stattgefunden hat», sagte der irische Regierungschef Leo Varadkar am Freitag. Das Handelsabkommen sei noch zwei Jahre von der Ratifizierung entfernt. «Wir werden innerhalb dieser zwei Jahre Brasiliens Handeln im Umgang mit der Umwelt sehr genau beobachten», sagte Varadkar.
Das Freihandelsabkommen ist auch in Irland heftig umstritten. Irische Bauern fürchten, sie könnten durch billige Fleischimporte aus Südamerika aus dem Wettbewerb gedrängt werden. Deutschland hatte das Freihandelsabkommen ebenfalls in Frage gestellt. Finnland, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, hatte vorgeschlagen, über die Aussetzung von Fleischimporten aus Brasilien nachzudenken.
Europäische Freihandelsassoziation (Efta) ist der neuntgrösste globale Handelsakteur. Sie wurde 1960 von sieben Ländern gegründet, darunter die Schweiz. Weitere Mitglieder stiessen hinzu, bis die überwiegende Mehrheit von ihnen der EU beitrat. Im Jahr 2018 exportierte die Efta Waren im Wert von mehr als 310 Milliarden Euro und importierte Güter für 255 Milliarden Euro. Wichtigster Handelspartner ist die EU, die über 60 Prozent der von der Efta produzierten Waren und Dienstleistungen abnimmt. (awp/mc/ps)