Tokio – Nach dem schweren Beben vor der Ostküste Japans hat laut Medienberichten eine zehn Meter hohe Tsunami-Welle die Küste erreicht. Die Welle erreichte demnach am Freitag die Hafenstadt Sendai. Die Nachrichtenagentur Jiji meldete ein erstes Todesopfer aus der Region östlich von Tokio.
Der japanische Sender NHK berichtete von mindestens 20 Verletzten. Mehrere Kinder sollen ins Meer gespült worden sein. Die Landebahn des Flughafens von Sendai sei überschwemmt worden, berichtete die Flughafenbehörde. Fernsehbilder zeigen die grosse Verzweiflung in den Gesichtern der Menschen an der japanischen Ostküste: Frauen schwingen grosse weisse Tücher aus den Fenstern ihrer Häuser, um Hilfe zu bekommen. Sie sind gefangen in den oberen Etagen der Häuser, die vollständig von Wasser umgeben sind.
Stärke 8,9 auf der Richterskala
Der schwere Erdbeben löste auch Erdrutsche aus, die Menschen unter sich begruben, wie die Nachrichtenagentur Kydo berichtete. Nachbeben erschütterten weiterhin das Katastrophengebiet, hiess es in Fernsehberichten. Atomkraftwerke an der Pazifikküste in den Präfekturen Miyagi und Fukushima schalteten sich bei dem Erdbeben automatisch ab, berichtete Kyodo. In einer Ölraffinerie in Chiba nördlich von Tokio brach ein grosses Feuer aus, wie es in Fernsehberichten hiess. Das Beben der Stärke 8,9 hatte sich am Nachmittag (Ortszeit) etwa 382 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Tokio ereignet, das Epizentrum lag vor der Küste des Landes. Die Erschütterungen waren auch in Tokio zu spüren. Auch hier wurden mehrere Menschen verletzt, ausserdem brachen mehrere Brände aus.
Grossbrand in Ölraffinerie
Das Beben hat offenbar einen Grossbrand in einer Raffinerie ausgelöst. Der Industriekomplex in der Stadt Iichihara im Grossraum Tokio stand am Freitag in Flammen, wie im japanischen Fernsehen zu sehen war. Die Anlage wird von dem japanischen Erdölkonzern Cosmo Oil betrieben. Nach Regierungsangaben brachen im Nordosten Japans rund 50 Feuer aus, wie die Nachrichtenagentur Kyodo berichtete. In Aufnahmen aus Helikoptern war zu sehen, wie eine massive Flutwelle Schiffe, Lastwagen, Autos und Trümmer vor sich her in die Stadt schob. Unterdessen teilte Japans Regierungschef Naoto Kan mit, dass bei keiner der Atomanlagen des Landes nach dem Beben ein Austritt von atomarem Material festgestellt worden sei.
Höchste Tsunami-Warnstufe
In weiten Teilen des Landes wurde der Flug- und Zugverkehr eingestellt, so auch am Hauptstadtflughafen Narita. In Tokio wurde auch der U-Bahn-Verkehr eingestellt. Beim Einsturz eines Daches während einer Zeugnisübergabe mit 600 Teilnehmern wurden in Tokio mehrere Menschen verletzt, wie die Feuerwehr mitteilte. Die Behörden gaben für die gesamte Küstenregion umgehend die höchste Tsunami-Warnstufe aus. Auch für Russland, die Philippinen, Taiwan und die pazifische Inselgruppe der Marianen wurde eine Tsunami-Warnung ausgegeben. Auch in Indonesien wurde Tsunami-Warnung gegeben, wie Chinas Nachrichtenagentur Xinhua berichtete.
Armee in Krisengebiet geschickt
Ministerpräsident Naoto Kan rief die Bevölkerung zur Ruhe auf. Bislang sei in keiner der Atomanlagen des Landes ein Austritt von atomarem Material festgestellt worden sei, wie Kyodo berichtete. Die japanischen Verteidigungsstreitkräfte werden für Rettungsarbeiten in die schwer betroffene Präfektur Miyagi geschickt. Auch auf der zu den USA gehörenden Pazifikinsel Hawaii wurde eine Tsunami-Warnung ausgelöst. Dort könnte eine von dem Erdbeben verursachte Flutwelle frühestens um 02.59 Uhr Ortszeit (13.59 Uhr MEZ) eintreffen, wie der US-Fernsehsender Khon TV in seinem Internet-Portal berichtete.
Keine nachhaltigen Verwerfungen an Devisenmärkten
An den Devisenmärkten hat das schwere Erdbeben in Japan am Freitag keine nachhaltigen Folgen gehabt. Der Eurokurs kletterte zwar kurzzeitig bis auf 115,01 Yen. Der Markt beruhigte sich aber rasch wieder. Zuletzt kostete ein Euro 114,38 Yen. Dies entspricht in etwa dem Niveau vor dem schweren Beben. Entsprechend waren auch die Kursausschläge zum Dollar. «Der nur kurzzeitige Rückgang des japanischen Yen zeigt, dass die Märkte die wirtschaftlichen Folgen nicht so skeptisch beurteilen», sagte Wolfgang Leim, Japan-Experte der Commerzbank der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. (awp/mc/upd/ps)