Canberra – Australien bekommt einen neuen Premierminister. Zum Nachfolger des gestürzten Regierungschefs Malcolm Turnbull wurde am Freitag der bisherige Schatzkanzler Scott Morrison gewählt. Der 50-Jährige gilt als vergleichsweise moderater Konservativer. Er setzte sich in einer Kampfabstimmung innerhalb der Liberalen Partei gegen den ehemaligen Innenminister und Hardliner Peter Dutton durch. Der 63 Jahre alte Turnbull musste sich nach einem tagelangen Machtkampf gegen das konservative Lager geschlagen geben. Hintergrund des parteiinternen Flügelkampfes sind unter anderem auch schlechte Umfragewerte vor der Parlamentswahl im kommenden Jahr.
Damit hat seit 2007 kein australischer Premierminister mehr eine volle Amtszeit durchgehalten. Stattdessen bekommt das Land nun den siebten Regierungschef binnen elf Jahren. Spätestens im Mai 2019 muss in Australien neu gewählt werden. In allen Umfragen liegt die sozialdemokratische Labor-Opposition unter Parteichef Bill Shorten vorn. Derzeit regieren die Liberalen gemeinsam mit der Nationalen Partei. Das Bündnis hat nur eine Stimme Mehrheit.
Offene Rebellion
Turnbull, ein ehemaliger Investmentbanker, hatte das Land seit September 2015 regiert. Wegen der schlechten Umfragewerte geriet er in den letzten Monaten aber immer mehr in die Kritik. Viele Abgeordnete befürchten, bei der nächsten Wahl ihr Mandat zu verlieren. Insbesondere der konservative Flügel begehrte gegen ihn auf. Eine erste Kampfabstimmung in der Fraktion gegen Dutton konnte Turnbull am Dienstag noch gewinnen. Seine Tage waren aber gezählt.
Dutton, der als Hardliner gilt, sammelte dann Stimmen für eine weitere Abstimmung. Als er eine Mehrheit hinter sich hatte, gab Turnbull am Freitag schliesslich auf. In der entscheidenden Sitzung musste sich Dutton dann jedoch dem bisherigen Schatzkanzler Morrison geschlagen geben. Für Morrison, der eher als Vertreter des moderaten Flügels gilt, stimmten 45 Abgeordnete. Dutton erhielt 40 Stimmen.
Morrison hatte schon mehrere andere Kabinettsposten inne. Auch er steht für eine sozial- und finanzpolitisch konservative Politik. Im Unterschied zu Turnbull hatte sich der Vater von zwei Kindern im vergangenen Jahr auch gegen die «Ehe für alle» ausgesprochen.
In den Monaten bis zur Wahl muss Morrison nun versuchen, die zerstrittenen Liberalen wieder zu einen. Der Machtkampf um den Posten des Regierungschefs hat viele Gräben aufgerissen. Der unterlegene Dutton versicherte dem neuen Premierminister seine «absolute Loyalität». Mit Interesse wird nun erwartet, ob der Hardliner wieder ins Kabinett eingebunden wird.
Der bisherige Innenminister wäre der Mann des konservativen Flügels gewesen. Dutton gilt als Gesicht von Australiens harter Linie gegenüber Flüchtlingen und anderen unwillkommenen Einwanderern. Letztlich konnte er seinen Machtanspruch aber ebenso wenig durchsetzen wie Aussenministerin Julie Bishop, die in der Abstimmung bereits im ersten Durchgang ausschied.
Turnbull gelang es zumindest, einen Sieg seines parteiinternen Gegners zu verhindern. «Die Aufständischen wurden nicht belohnt», sagte er. Morrison hingegen sei ein «sehr loyaler» Schatzkanzler gewesen und habe gute Arbeit geleistet. Er selbst freue sich nun darauf, künftig mehr Zeit mit seiner Familie zu verbringen.
In Australien wird der Premierminister nicht direkt durchs Volk gewählt. Das Amt hat traditionell der Vorsitzende der Partei inne, die die Regierung führt. Der Regierungschef kann seinen Posten deshalb auch durch eine parteiinterne Rochade verlieren – wie nun wieder geschehen. (awp/mc/ps)