Kiew – Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist nach eigener Aussage fest davon überzeugt, dass die Verantwortlichen für den Krieg gegen sein Land zur Rechenschaft gezogen werden. Der Weg für die Bestrafung der russischen Täter sei bei einer internationalen Konferenz im ukrainischen Lwiw geebnet worden, sagte Selenskyj am Sonntag in seiner abendlichen Videoansprache. Die Kämpfe im Osten der Ukraine gehen indes unvermindert weiter.
Selenskyj: Alle Mörder müssen bestraft werden
«Alle russischen Mörder, jeder Organisator dieser Aggression, jeder, der in irgendeiner Weise für den Krieg gegen unser Land und den Terror gegen unser Volk sorgt, sie alle müssen bestraft werden», sagte Selenskyj. Der Grundstein dafür sei bereits bei der internationalen Konferenz «United for Justice» (Vereint für Gerechtigkeit) in den vergangenen Tagen in Lwiw gelegt worden.
Die gerechte Bestrafung der Verantwortlichen für den Krieg sei «nicht nur ein Traum», unterstrich Selenskyj. «Das ist eine Arbeit, die bereits im Gange ist.» Die Welt sei «stark genug», um Russland für den Krieg zu bestrafen. «Und wir werden der Welt den Mut und die Mittel geben, um die Bestrafung zu vollziehen.»
Bei der Konferenz in Lwiw war unter anderem vereinbart worden, ein neues Internationales Zentrum für die Verfolgung von Kriegsverbrechen einzurichten. Es soll Beweise für künftige Gerichtsverfahren sichern.
Die Ukraine bemüht sich seit Monaten, mit ihren Unterstützern einen internationalen Gerichtshof nach dem Vorbild des Nürnberger Tribunals für Nazi-Kriegsverbrecher zu bilden, vor dem sich führende Vertreter Russlands für den Krieg gegen das Nachbarland verantworten sollen.
Kiew: Russische Truppen setzen Angriffe auf Bachmut fort
Das russische Militär setzte derweil auch am Sonntag seinen Kampf zur Eroberung der ostukrainischen Stadt Bachmut fort. «Sie (die russischen Truppen) hören nicht auf, gegen Bachmut und die umliegenden Siedlungen anzustürmen», teilte der ukrainische Generalstab in Kiew in seinem Lagebericht am Abend mit. Zahlreiche Siedlungen rund um Bachmut seien mit Mörsern und Artillerie beschossen worden. Die Generalität in Kiew machte keine Angaben zu etwaigen Geländegewinnen oder -verlusten.
Bisher wird Bachmut von drei Seiten bedrängt, lediglich eine Seite im Westen ist noch offen und bietet den ukrainischen Truppen einen Korridor für einen möglichen Rückzug. «Die Verteidiger halten ihre Stellung», sagte Sehij Tscherewaty, Sprecher der ukrainischen Heeresgruppe Ost. «Und wir haben die Möglichkeit, Munition, Proviant und Medizin zu liefern sowie Verwundete abzutransportieren.»
Die russischen Truppen versuchen schon seit Wochen, die zur Festung erklärte Stadt Bachmut zu erobern. Dabei setzt Russland die berüchtigte Söldnertruppe Wagner ein, die nach ukrainischen Berichten bereits schwere Verluste erlitten haben soll. Die Angaben sind allerdings nicht überprüfbar.
Der Generalstab in Kiew sprach in seinem Bericht auch von «erfolglosen Offensivaktionen» russischer Truppen bei Awdijiwka und Schachtarsk im Osten des Landes. Auch dort seien viele Ortschaften von russischer Artillerie wahllos beschossen worden.
Von der Leyen: Keine Beweise für Waffen aus China für Russland
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen äusserte sich zurückhaltend zur Frage möglicher Sanktionen gegen China, falls die Volksrepublik Waffen an Russland liefern sollte. «Bisher haben wir keine Beweise dafür. Aber man muss jeden Tag das beobachten», sagte sie am Sonntag bei einem Auftritt mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Rande der Kabinettsklausur in Meseberg nördlich von Berlin. Ein Journalist hatte gefragt, ob man von US-Seite konkrete Beweise dafür erhalten habe, dass China Waffenlieferungen an Russland erwäge.
Scholz: Putin hat Einigkeit des Westens unterschätzt
Kremlchef Wladimir Putin hat aus Sicht von Scholz den Zusammenhalt des Westens bei der Unterstützung der Ukraine unterschätzt. «Er hat die Einigkeit Europas, der Vereinigten Staaten und aller Freunde der Ukraine sowie die ständige Lieferung von Waffen, die wir der Ukraine zur Verfügung stellen, falsch eingeschätzt», sagte der Kanzler in einem auf Englisch geführten Interview des US-Senders CNN, das am Sonntag ausgestrahlt wurde. So seien die Ukrainer in der Lage gewesen, ihr Land zu verteidigen. «Und sie werden auch in Zukunft in der Lage sein, dies zu tun», sagte Scholz.
«Wir sind jetzt der stärkste Unterstützer der Ukraine in Kontinentaleuropa, und das werden wir auch weiterhin sein», betonte Scholz. «Und das liegt auch an den Waffen, bei denen wir uns mit den Vereinigten Staaten und anderen Freunden abstimmen.» Deutschland habe im vergangenen Jahr 14 Milliarden Euro für verschiedene Formen der Unterstützung zugunsten der Ukraine ausgegeben.
Scholz war vor dem Interview in Washington mit US-Präsident Joe Biden zusammengekommen. Dabei hatten sie über das weitere Vorgehen in der Ukraine-Krise beraten und Kiew anhaltende Unterstützung bei der Abwehr des russischen Angriffs zugesagt.
Finnischer Armee-Chef: Russland versteht nur harte Macht
Mit Blick auf den russischen Angriffskrieg sieht Finnlands Armee-Chef Timo Kivinen einen Beitritt seines bislang blockfreien Landes zur Nato als notwendig. «Wir wollen niemanden bedrohen», sagte der General dem ZDF-«heute journal» (Sonntag). Aber mit der Nato gebe es mehr Abschreckungspotenzial. «Russland versteht offensichtlich nur harte Macht.» Finnland hat eine 1300 Kilometer lange Grenze zu Russland und will wie Schweden wegen des Ukraine-Krieges Mitglied der Nato werden. Die endgültige Entscheidung über eine Aufnahme steht hängt vor allem von der Haltung der Türkei und Ungarns ab.
Immerhin 300 Kilometer lang ist die Grenze, die der baltische EU- und Nato-Mitgliedstaat Estland mit Russland teilt. Bei der Parlamentswahl dort fuhr die wirtschaftsliberale Partei von Ministerpräsidentin Kaja Kallas einen klaren Sieg ein und holte 37 von 101 Sitzen in der Volksvertretung, wie die Wahlkommission in der Nacht zu Montag bekanntgab. Kallas steht seit 2021 an der Regierungsspitze und gilt als eine der resolutesten Unterstützerinnen der Ukraine in Europa.
Das wird am Montag wichtig
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) trifft am Abend zu einem Besuch im Nato-Partnerland Litauen ein. Er will unter anderem dort stationierte Bundeswehrsoldaten treffen. (awp/mc/ps)