Selenskyj entlässt Armeechef Saluschnyj

Selenskyj entlässt Armeechef Saluschnyj
Walerij Saluschnyj als Oberbefehlshaber der Ukraine entlassen.

Kiew – Unter zunehmendem Druck nach fast zwei Jahren russischen Angriffskrieges hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj seinen obersten Militärführer Walerij Saluschnyj entlassen. Das teilte Selenskyj am Donnerstag in seiner abendlichen Videobotschaft in Kiew mit. Zum neuen Oberbefehlshaber ernannte er Generaloberst Olexander Syrskyj, den bisherigen Kommandeur der ukrainischen Landstreitkräfte.

Der Schritt folgte auf Wochen voller Spekulationen über das Schicksal des bei Armee und Bevölkerung beliebten Generals Saluschnyj. Das Zerwürfnis zwischen dem zivilen Präsidenten und dem obersten Militär wurde aber zumindest für den Moment des Abschieds überdeckt. Bei einem Treffen in Kiew gaben Selenskyj und Saluschnjy einander die Hand und lächelten gemeinsam in die Kamera.

«Ich habe ihm für zwei Jahre der Verteidigung gedankt», schrieb Selenskyj auf seinen Blogs in sozialen Netzwerken. «Wir haben darüber gesprochen, welche Erneuerung die ukrainischen Streitkräfte brauchen.» Es sei auch darum gegangen, wie die Armeeführung erneuert werden könne. Selenskyj sagte, er habe Saluschnyj angeboten, «weiter Teil des Teams zu bleiben». Er gab aber keinen Hinweis auf eine mögliche neue Aufgabe für den 50 Jahre alten Soldaten.

Seit Juli 2021 im Amt
Saluschnyj war im Juli 2021 als Oberkommandierender der ukrainischen Streitkräfte eingesetzt worden. Unter seiner Führung hielten die Truppen dem russischen Einmarsch vom Februar 2022 stand. Sie eroberten im Lauf des ersten Kriegsjahres sogar besetzte Teile des Gebietes Charkiw und die Gebietshauptstadt Cherson im Süden zurück. Der General Saluschnyj war auch massgeblich an der Planung der ukrainischen Sommeroffensive 2023 beteiligt, die aber gegen stark befestigte russische Verteidigungsanlagen kaum vorankam.

Uneinigkeiten zwischen Selenskyj und Saluschnyj
In einem aufsehenerregenden Artikel für die britische Zeitschrift «The Economist» schrieb der General davon, dass der Krieg am Boden in eine Pattsituation geraten sei. Nur grosse Waffenlieferungen und ein Technologiesprung könnten die Ukraine wieder in die Offensive bringen. Selenskyj widersprach seinem höchsten Militär bei dieser Einschätzung öffentlich. Auch in der Frage einer weiteren Mobilisierung von Soldaten waren die Verantwortlichen für die ukrainische Kriegsführung uneins. Nach Medienberichten hatte Selenskyj den General schon Ende Januar zum Rücktritt gedrängt; dieser lehnte demnach aber ab.

In der ukrainischen Öffentlichkeit, aber auch bei westlichen Unterstützern hatte der Konflikt in der Kiewer Führung Bedenken ausgelöst angesichts des wachsenden russischen Drucks. In diese Richtung ging auch eine erste Reaktion des Kiewer Bürgermeisters Vitali Klitschko. «Ich hoffe, dass die Regierung der Öffentlichkeit diese Änderungen erläutern wird. Wenn an der Front schwere Kämpfe stattfinden, wenn wir die effektive Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern fortsetzen müssen. Wenn die Einheit der Gesellschaft vertrauenswürdige Autoritäten braucht», schrieb Klitschko auf Telegram. Ex-Präsident Petro Poroschenko nannte Saluschnyj den General, «der die Ukraine im schwierigsten Moment ihrer Geschichte gerettet hat».

Keine russische Vorprüfung
Bei seinen Soldaten und in der Bevölkerung galt der bullige Soldat als äusserst beliebt. Deshalb kamen immer wieder Spekulationen auf, der Militär strebe eine eigene politische Karriere an. Er selbst dementierte dies. Saluschnyj ist in den ukrainischen Streitkräften einer der ranghohen Offiziere ohne Vorprägung durch die frühere sowjetische Armee. Er setzte deshalb auf Kommandostrukturen, die sich am Vorbild der Nato orientieren.

Der neue Oberbefehlshaber Syrskyj (58) hat noch die sowjetische Schulung durchlaufen, er erhielt seine Offiziersausbildung in Moskau. Der Generaloberst ist ethnischer Russe, er wurde im russischen Gebiet Wladimir geboren und lebt seit 1980 in der heutigen Ukraine. Die Liste seiner Verdienste ist ebenfalls lang. Er war ein Kommandeur bei der Verteidigung gegen die als Separatistenbewegung getarnte russische Besetzung der Ostukraine ab 2014. Seit 2019 kommandiert der verheiratete Vater eines Sohnes die Landstreitkräfte der Ukraine. (mc/pg)

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