Selenskyj: Lage unter Kontrolle

Selenskyj: Lage unter Kontrolle
Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj. (Bild: president.gov.ua)

Kiew – Die Streitkräfte der Ukraine haben die Lage an den Fronten des Landes nach Einschätzung von Präsident Wolodymyr Selenskyj im Griff. Dennoch berichten die Militärs von fortgesetzten russischen Angriffen im Osten des Landes – mit Schwerpunkt Bachmut. An diesem Donnerstag will Kanzler Olaf Scholz (SPD) gut ein Jahr nach dem russischen Angriff auf die Ukraine und der damit verbundenen Neuausrichtung der deutschen Sicherheitspolitik eine Regierungserklärung abgeben. Die Aussenminister der G20-Gruppe führender Wirtschaftsmächte wollen ebenfalls am Donnerstag in Neu Delhi über die Zukunft internationaler Konfliktlösung beraten.

Selenskyj wirft Russen «bewussten Terror» vor
«Wir haben jedes Gebiet an der Front unter Kontrolle», sagte Selenskyj am Mittwoch in seiner allabendlichen Videoansprache. Allerdings müssten die Menschen im Hinterland der Fronten weiterhin unter den russischen Angriffen leiden. «Bewusster Terror», sagte Selenskyj zu den russischen Artillerieangriffen auf Städte und Dörfer hinter den Fronten im Süden und Osten der Ukraine.

«Im grössten Teil unseres Landes, wo es uns gelungen ist, für relative Sicherheit zu sorgen, können sie (die Bewohner) vielleicht nicht nachempfinden, wie das Leben der Menschen ist, die in den Grenzgebieten zu Russland und im Süden unseres Landes leben», sagte Selenskyj. Dort seien die Menschen zwar nicht an der Front, aber dennoch direkt im Krieg. «Dort, wo Russland ständig versucht, alles zu zerstören, was die Menschen haben, ständig – und das ist keine Übertreibung.»

Kiew: Russische Angriffe bei Bachmut dauern an
Das russische Militär setzte am Mittwoch nach Berichten des ukrainischen Generalstabs seine Angriffe im Osten der Ukraine unvermindert fort. Im Mittelpunkt der schwersten Gefechte stand einmal mehr die seit Wochen umkämpfte Stadt Bachmut, wie die ukrainische Armeeführung in ihrem täglichen Lagebericht mitteilte. Russische Einheiten bedrängen die Stadt bereits von drei Seiten.

Eine Serie russischer Artillerie- und Luftangriffe wurde auch aus der Umgebung der ostukrainischen Grossstadt Charkiw gemeldet. Bei Raketenangriffen habe es auch zivile Opfer gegeben, hiess es. Nähere Angaben wurden nicht gemacht. Die ukrainische Flugabwehr habe in der Region zwei sogenannte Kamikaze-Drohnen aus iranischer Produktion abgeschossen.

Russische Angriffe wurden auch aus Krementschuk südöstlich von Kiew gemeldet. Der Gouverneur des Gebietes Poltawa, Dmytro Luni, berichtete, dass bei Krementschuk «Objekte der zivilen und kritischen Infrastruktur» getroffen worden seien. Weitere Angaben zu möglichen Opfern oder Schäden machte er vorerst nicht.

Berichte über Explosionen auf der Krim
Auf der russisch besetzten Krim wurden am Mittwochabend mehrere Explosionen registriert. In Jalta, Bachtschyssaraj und Gursuf im Süden der Halbinsel seien die Detonationen gehört worden, berichteten soziale Medien. Offizielle Stellungnahmen dazu lagen nicht vor.

EU könnte Anreize für Munitionslieferungen an Ukraine erhöhen
Länder wie Deutschland könnten künftig deutlich mehr EU-Geld bekommen, wenn sie schnell dringend benötige Munition in die Ukraine liefern. In einem am Mittwoch bekannt gewordenen Diskussionspapier schlägt die EU-Kommission vor, den Mitgliedstaaten im Fall von zügigen Lieferungen bis zu 90 Prozent der Kosten aus EU-Mitteln zu erstatten. Bislang lag die Rückerstattungsquote bei entsprechenden Anträgen in der Regel bei deutlich niedrigeren Werten.

Die Staaten seien angehalten, insbesondere rasch Artilleriemunition des Kalibers 155 Millimeter zur Verfügung zu stellen, heisst es in dem Papier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt und über das zunächst der «Spiegel» berichtete. Der Transfer müsse aus bestehenden Beständen oder für die Lieferung anstehenden Aufträgen erfolgen.

Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell hatte die Verteidigungsminister der EU-Staaten bereits in der vergangenen Woche zu einer Ausweitung der Munitionslieferungen aufgerufen. Hintergrund waren Sorgen, dass der Ukraine bald dringend benötigte Munitionstypen fehlen könnten.

Russland verschiesst nach den Angaben eines Hintergrundpapiers aus Estland durchschnittlich 20’000 bis 60’000 Schuss Artilleriemunition pro Tag, die Ukraine hingegen nur 2000 bis 7000 Schuss pro Tag.

Das bringt der Donnerstag
Gut ein Jahr nach dem russischen Angriff auf die Ukraine und der damit verbundenen Neuausrichtung der deutschen Sicherheitspolitik will Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag im Bundestag eine Zwischenbilanz ziehen. Seine Regierungserklärung trägt den Titel «Ein Jahr Zeitenwende». Am 27. Februar 2022 – drei Tage nach Kriegsbeginn – hatte Scholz in einer Sondersitzung des Bundestags ein 100-Milliarden-Programm zur Aufrüstung der Bundeswehr ankündigt. Tags zuvor waren die ersten Waffenlieferungen an die Ukraine für den Abwehrkampf gegen Russland beschlossen worden.

Gut ein Jahr nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine wollen die Aussenminister der G20-Gruppe führender Wirtschaftsmächte an diesem Donnerstag in Neu Delhi über die Zukunft internationaler Konfliktlösung beraten. Aussenministerin Annalena Baerbock verlangte vor dem Treffen ein klares Signal gegen den russischen Angriffskrieg.

Mit Spannung wird erwartet, ob der russische Aussenminister Sergej Lawrow bei dem Treffen in Neu Delhi wie bei dem jüngsten G20-Aussenministertreffen auf der indonesischen Ferieninsel Bali für einen Eklat sorgen wird. Damals verliess er den Saal nach seiner Rede und hörte sich die Wortmeldungen seiner Kritiker nicht mehr an. (awp/mc/ps)

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