Kiew – Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist nach einer Tour durch vier europäische Staaten wieder in die Ukraine zurückgekehrt. «Wir kehren mit neuen Verteidigungspaketen nach Hause zurück: mehr Munition, stärkere Waffen für die Front, mehr Schutz für unsere Leute, mehr politische Unterstützung», fasste der 45-Jährige die Reise in einem im Zug aufgezeichneten Video am Montag zusammen. Bei allen Gesprächen in Italien, Deutschland, Frankreich und Grossbritannien sei seine Friedensformel über einen kompletten Abzug der russischen Truppen vom Staatsgebiet der Ukraine besprochen worden.
Es gebe nun mehr Unterstützung für einen EU-Beitritt des Landes, sagte Selenskyj. «Es gibt mehr Verständnis für einen Nato-Beitritt, er wird kommen, er ist unvermeidlich.» Am Montag hatte er London besucht, am Sonntag Berlin, Aachen und Paris, am Samstag Rom.
Der Präsident dankte Deutschland besonders für das neue Verteidigungspaket über 2,7 Milliarden Euro einschliesslich der Flugabwehrsysteme Iris, Artillerie, Panzertechnik und Munition. «Ausserdem unterstützt Deutschland unser Land langfristig: Es gibt dafür elf Milliarden Euro, rein für die Verteidigung», sagte er. Der Sieg seines Landes sei nun näher gerückt.
Die Ukraine verteidigt sich seit mehr als 14 Monaten mit massiver westlicher Hilfe gegen die russische Invasion. Seit längerem wird eine grössere ukrainische Gegenoffensive erwartet.
Macron: Tür für Ausbildung ukrainischer Piloten in Kampfjets offen
In Paris stellte Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron nach dem Treffen mit Selenskyj die Ausbildung ukrainischer Piloten für Kampfjets in Aussicht. «Wir haben die Tür geöffnet, um ukrainische Piloten auszubilden», sagte Macron am Montagabend im französischen Fernsehsender TF1. «Die Ausbildungen können ab jetzt losgehen.» Mehrere europäische Länder seien zu dem Schluss gekommen, dass es jetzt notwendig sei, mit der Schulung zu beginnen. Auf die Frage, ob Frankreich auch Kampfjets liefern werde, antwortete er: «Nein, ich habe nicht von Flugzeugen gesprochen.»
Macron sagte im Interview, man werde der Ukraine weitere Munition und weiteres Material liefern. Zudem wolle man bei der Ausbildung der Truppen helfen und Kanonen und Fahrzeuge reparieren.
USA: Russland und der Iran bauen militärische Kooperation aus
Russland und der Iran bauen indes nach Angaben der US-Regierung ihre militärische Kooperation aus. Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, sagte, der Iran liefere weiter Angriffsdrohnen an Russland. Seit August habe der Iran mehr als 400 Drohnen für Russland zur Verfügung gestellt. Die meisten davon seien bereits zum Einsatz gekommen im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine – vor allem mit dem Ziel, dort kritische Infrastruktur zu zerstören.
Der Iran gehöre zu den wichtigsten militärischen Unterstützern Moskaus und ermögliche es dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, weiter Ukrainer zu töten, sagte Kirby. Geplant sei daher, «in den kommenden Tagen» weitere Strafmassnahmen gegen jene zu verhängen, die an den zunehmenden Rüstungsgeschäften zwischen Russland und dem Iran beteiligt seien. Die USA hätten bereits weitreichende Sanktionen gegen beide Länder verhängt, aber es gebe noch Raum für weitere.
Pentagon: Abrams-Übungspanzer im bayerischen Grafenwöhr angekommen
Auf dem Truppenübungsplatz im bayerischen Grafenwöhr trafen nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums 31 Abrams-Übungspanzer ein. Das sagte Pentagon-Sprecher Pat Ryder am Montag in Washington. Ukrainische Streitkräfte würden «in den kommenden Wochen» in Grafenwöhr erwartet und mit ihrer Ausbildung an den Panzern beginnen. Ende Januar hatte die US-Regierung nach langem Hin und Her und parallel zur deutschen Zusage von Leopard-Panzern für Kiew angekündigt, der Ukraine 31 Kampfpanzer vom Typ M1 Abrams zu liefern.
Heftige Explosionen von Luftabwehrraketen erschüttern Kiew
Heftige Explosionen von Luftabwehrraketen rissen die Einwohner der ukrainischen Hauptstadt Kiew aus dem Schlaf. Raketentrümmer seien auf das Gelände des städtischen Tierparks heruntergefallen, teilte Bürgermeister Vitali Klitschko am Dienstag mit. Seinen Angaben nach wurden drei Menschen verletzt und ein grösseres Gebäude beschädigt. Zudem seien mehrere Autos in Brand geraten. Der Militärverwaltung zufolge waren vier Stadtteile betroffen. Luftalarm war in der Nacht im ganzen Land ausgelöst worden.
Ukraine: Oberster Richter wegen Korruption in Millionenhöhe gefasst
Unterdessen wird die Ukraine von einem neuen Korruptionsskandal erschüttert. Anti-Korruptionskämpfer haben Schmiergeldzahlungen in Millionenhöhe beim Obersten Gerichtshof aufgedeckt. Gerichtspräsident Wsewolod Knjasjew sei bei einer Entgegennahme von drei Millionen US-Dollar (2,76 Millionen Euro) gefasst worden, berichtete die Internetzeitung «Ukrajinska Prawda». Das Nationale Anti-Korruptions-Büro der Ukraine (NABU) veröffentlichte ein Foto von Bündeln mit Geldscheinen auf einer Couch. Details sollten später bekannt gegeben werden. Medien in Kiew berichteten, bei anderen Richtern der obersten Justizinstanz gebe es Razzien.
Das NABU und die Sonderstaatsanwaltschaft haben nach eigenen Angaben eine «grossangelegte Korruption im Obersten Gerichtshof aufgedeckt, insbesondere einen Plan zur Erlangung ungerechtfertigter Vorteile durch die Führung und die Richter des Obersten Gerichtshofs», hiess es in der Mitteilung beider Behörden. Wer wen warum bestochen haben soll, ging aus den Mitteilungen nicht hervor.
Was am Dienstag wichtig wird
Der Krieg in der Ukraine wird auch Themas des Gipfels des Europarats, zu dem rund 30 europäische Staats- und Regierungschefs ins isländische Reykjavik reisen. Angekündigt haben sich unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der französische Präsident Emmanuel Macron und die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Die Länder wollen bei dem zweitägigen Gipfel überlegen, wie Russland für seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine zur Rechenschaft gezogen werden kann. Russland gehört seit 2022 nicht mehr zum Europarat. Der Europarat will sich für die Wahrung der Menschenrechte einsetzen und ist von der EU unabhängig, weshalb zu den 46 Mitgliedern auch Länder wie Grossbritannien, die Türkei und die Ukraine gehören. (awp/mc/ps)