Selenskyjs Plan: Nato-Einladung, Aufrüstung und Rohstoffe

Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj. (Foto: president.gov.ua)

Kiew – Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat seinen aus fünf Punkten bestehenden «Siegesplan» für die Beendigung des Krieges mit Russland in Kiew präsentiert. Zentral ist dabei eine schnelle Einladung zum Beitritt in das westliche Militärbündnis Nato.

«Im Verlauf von Jahrzehnten hat Russland die geopolitische Unbestimmtheit in Europa und eben die Tatsache ausgenutzt, dass die Ukraine kein Mitglied der Nato ist», unterstrich der Staatschef im Parlament vor den Abgeordneten und der versammelten Landesführung. Das habe Russland zu dem Angriff auf die Ukraine verleitet. Die Einladung in die Nato werde zu «einem wirklichen Fundament für den Frieden». Die fünf Punkte und ihre Chancen auf Verwirklichung:

Einladung in die Nato
In der Nato gibt es keinen Konsens in dieser Frage. Zwar betont die Nato-Führung regelmässig, dass Kiew zukünftig dem Bündnis beitreten kann. Doch sprechen sich mehrere Bündnisstaaten öffentlich gegen eine solche Beitrittsperspektive aus. Eines der deklarierten Kriegsziele Moskaus ist es auch, einen neutralen Status der Ukraine zu erzwingen.

Verteidigung stärken – den Krieg nach Russland tragen
Ein zweiter Punkt sieht eine Stärkung der Verteidigung vor. Zudem soll der Krieg soll auf das Gebiet Russlands ausgeweitet werden. «Das ist realistisch – unsere Positionen auf dem Schlachtfeld in der Ukraine halten und gleichzeitig den Krieg auf das Gebiet Russlands zurückbringen, damit die Russen wirklich spüren, was Krieg heisst», sagte Selenskyj. Ziel sei es, den Hass der Russen in Richtung des Kremls zu lenken. Zu diesem Zweck soll die seit August laufende Operation der ukrainischen Armee im russischen Grenzgebiet Kursk fortgesetzt werden.

Für die Umsetzung dieses Punkts ist auch eine Freigabe für den Einsatz westlicher Waffen gegen Ziele auf russischem Staatsgebiet erforderlich. Soweit bekannt haben bisher die USA, Grossbritannien und Frankreich der Ukraine Raketen mit einer Reichweite von bis zu 300 Kilometern geliefert. Die USA lehnen diese Freigabe bislang ab. Beweglicher sieht die Position Grossbritanniens aus.

Die Ukraine zur Abschreckung aufrüsten
Ausserdem sollen in der Ukraine mit der Hilfe westlicher Partner ausreichend konventionelle Waffen produziert und stationiert werden, um Russland von weiteren Angriffen abzuhalten. «Wenn Russland weiss, dass es eine Antwort geben wird und begreift, wie diese Antwort aussieht, wählen sie Verhandlungen und eine stabile Koexistenz sogar mit strategischen Gegnern», erläuterte der Präsident das Vorhaben. Frieden solle so durch Stärke erzwungen werden.

Zwar fangen viele westliche Rüstungsfirmen an, in der Ukraine zu produzieren. Die notwendige Finanzierung erhofft sich Selenskyj aber von den westlichen Staaten. Nach mehr als zweieinhalb Jahren beispielloser Hilfe fahren Länder wie die USA und Deutschland allmählich ihre Unterstützung zurück.

Zugriff auf ukrainische Rohstoffe
Die Ukraine verfüge über wertvolle Rohstoffe «im Wert von Billionen US-Dollar», sagte Selenskyj. Als Beispiele nannte er Uran, Titan, Lithium und Graphit. Die Frage sei, ob diese Ressourcen im globalen Wettbewerb an Russland und dessen Verbündete fielen oder bei der Ukraine und – wie er sagte – der demokratischen Welt verblieben. Mit diesem Vorschlag versucht Selenskyj, die westlichen Partner zu locken. Auch in Moskau wird oft damit argumentiert, dass Russland sich diese Rohstoffe sichern müsse.

Ukraine als europäische Sicherheitsmacht
Selenskyj sagte, dass die Ukraine nach einem Ende des russischen Angriffskrieges ihre militärische Erfahrung für die Sicherheit Europas und der Nato nutzen werde. Ihre Soldaten könnten in Europa sogar US-Truppen ersetzen, sagte er. Dieser Vorschlag zielt offenbar auf die USA. Diese hoffen, ihr Engagement auf dem europäischen Kontinent zurückzufahren – ob unter republikanischer oder demokratischer Regierung. Der ukrainische Vorschlag würde aber eine komplizierte Abstimmung zwischen Washington, den europäischen Hauptstädten und Kiew erfordern.

Selenskyj hatte diesen Plan einschliesslich nichtöffentlicher Teile bereits in Washington, London, Paris, Rom und Berlin vorgestellt. Am Donnerstag ist eine Präsentation beim Europäischen Rat in Brüssel geplant. Der ukrainische Präsident hofft so, den Krieg im kommenden Jahr zu seinen Bedingungen zu beenden. Die Ukraine verteidigt sich mit westlicher Hilfe seit mehr als zwei Jahren gegen eine russische Invasion.

Kreml sieht Selenskyjs Plan als Diktat der USA
Der Kreml deutet den sogenannten Siegesplan als ein Diktat der USA. Dahinter stehe nichts anderes als die amerikanische Absicht, den Krieg weiterzuführen und «bis zum letzten Ukrainer gegen uns zu kämpfen», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Er äusserte sich nach eigenem Eingeständnis aber, ohne den Auftritt Selenskyjs im ukrainischen Parlament in Kiew verfolgt zu haben. Das meldeten russische Nachrichtenagenturen in Moskau. Peskow sagte, ein Ende des Krieges werde erst möglich, wenn die Ukraine die – wie er es nannte – Perspektivlosigkeit ihrer Politik einsehe.

Nato macht Ukraine keine Hoffnung auf schnelle Einladung
Der neue Nato-Generalsekretär Mark Rutte reagierte zurückhaltend auf den ukrainischen Wunsch nach einer schnellen Einladung zum Beitritt in das westliche Militärbündnis. Rutte verwies bei einer Pressekonferenz in Brüssel auf die Beschlüsse des jüngsten Nato-Gipfels in Washington. Bei ihm hatten sich Befürworter einer schnellen Einladung nicht gegen Gegner wie die USA und Deutschland durchsetzen können. Die Bündnisstaaten konnten sich lediglich darauf verständigen, der Ukraine allgemein zuzusichern, dass sie auf ihrem Weg in das Verteidigungsbündnis nicht mehr aufzuhalten sei. (awp/mc/pg)

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