Selenskyj will den Russen echtes Bild vom Krieg verschaffen

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. (Foto: president.gov.ua)

Kiew – Die ukrainische Staatsführung will der russischen Bevölkerung ein realistisches Bild vom Kriegsgeschehen verschaffen und damit die kremltreue Propaganda im Nachbarland aushebeln. «Für uns ist es wichtig, dass sich die Wahrnehmung des Krieges in Russland verschlechtert», sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache.

Die russische Gesellschaft müsse erfahren, welche negativen Ergebnisse die Politik von Kremlchef Wladimir Putin habe. Selenskyj sprach zugleich von einem «Siegesplan» seiner Regierung, den er bei seinem USA-Besuch in den nächsten Tagen dem amerikanischen Präsidenten Joe Biden vorstellen wolle.

Akute militärische Fragen dürften nicht ausser Acht gelassen werden, sagte der Präsident. «Natürlich bereiten wir uns auch auf das vor, was Russland als Nächstes in den Kämpfen an der Front tut», sagte Selenskyj. Die ukrainische Führung arbeite etwa ständig daran, um über genügend Kräfte und Mittel zu verfügen, um Drohnen herzustellen und zu liefern.

«Egal, wie sich die Lage in der Welt verändert, egal, wie sich die Umstände ändern: Die ukrainischen Soldaten müssen alles bekommen, was sie für unsere erfolgreichen defensiven und aktiven Aktionen brauchen.» Die Bereitstellung von Drohnen sei nicht nur eine taktische Frage, sondern eine strategische Priorität.

Die Ukraine hat in den vergangenen Monaten die Produktion von Drohnen forciert. Mit diesen Drohnen haben die ukrainischen Streitkräfte in den vergangenen Monaten verstärkt militärische und logistische Ziele auf russischem Staatsgebiet angegriffen, um die Versorgung der russischen Truppen an den Fronten in der Ukraine zu erschweren.

Diese Kampfdrohnen haben jedoch nur geringe Sprengkraft, sind aber für Kiew aktuell die einzige Möglichkeit, Ziele innerhalb Russlands anzugreifen. Trotz wiederholter Bitten erlauben die Verbündeten Kiew bisher nicht, die von ihnen gelieferten weitreichenden Waffensysteme – Artillerieraketen und Marschflugkörper – für diese Angriffe zu verwenden.

In diesem Zusammenhang erwähnte Selenskyj den ukrainischen «Siegesplan», der «militärische, politische, diplomatische und wirtschaftliche Inhalte» habe. Die wichtigsten Schritte seien schon ausgearbeitet worden, «um dem Frieden – einem echten, gerechten Frieden – näherzukommen». «Zusammengenommen kann dieses Paket die richtige Entwicklung der Situation nicht nur für die Ukraine, sondern für alle Menschen in der Welt, die das Völkerrecht schätzen, sicherstellen.»

Kanzler Olaf Scholz hatte tags zuvor bei einem Besuch in Kasachstan betont, dass Deutschland die Ukraine weiter unterstützen werde, um sich gegen die russischen Angreifer zu verteidigen. Gleichzeitig bekräftigte er, dass er eine Friedenskonferenz unter Einbeziehung Russlands befürworten würde. Jetzt sei die Zeit, «zu gucken, was geht», sagte Scholz. Russland müsse aber einen Beitrag leisten, indem es seine Aggression einstelle.

Scholz wirbt seit Ende August offen für einen Friedensprozess. Im Juni hatten sich 93 Staaten zu einer ersten Friedenskonferenz in der Schweiz getroffen, zu der Russland aber nicht eingeladen war und die von Russlands wichtigstem Verbündeten China boykottiert wurde. Die Nachfolgekonferenz soll nun mit Russland stattfinden. Ort und Termin gibt es aber noch nicht.

Russische Truppen setzen Sturmangriffe in Ostukraine fort
Russische Truppen setzten unterdessen im Osten der Ukraine ihre Sturmangriffe fort. «Schwerpunkt des Tages» war die Umgebung von Kurachowe am Rande des Donbass, wie der ukrainische Generalstab am Abend in seinem Lagebericht mitteilte. Von den ukrainischen Verteidigern seien im Tagesverlauf insgesamt 26 russische Angriffe abgeschlagen worden.

Ähnlich schwere Gefechte wurden auch aus der Umgebung des seit Wochen umkämpften Pokrowsk gemeldet. Dort hätten russische Einheiten 24 Versuche unternommen, die ukrainischen Verteidigungslinien auszuhebeln. Auch diese Angriffe seien abgewehrt worden. Die Angaben konnten nicht unabhängig geprüft werden.

Auch in der westrussischen Region Kursk, in die ukrainische Einheiten Anfang August in einem Überraschungsangriff eingedrungen waren, lieferten sich russische und ukrainische Einheiten erbitterte Kämpfe. «Wir verfügen über getrennte und detaillierte Informationen über die Operation Kursk, und wir handeln jeden Tag genau so, wie wir es geplant haben», sagte Selenskyj.

Ukrainische Luftlandetruppen veröffentlichten auf Facebook ein Video, auf dem die Zerstörung eines russischen Panzers in einem namentlich nicht genannten Dorf in der Region gezeigt wird. Auch diese Angaben liessen sich nicht unabhängig überprüfen. (awp/mc/ps)

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