Selenskyj will Reform des UN-Sicherheitsrats
Kiew – Die turnusmässige Übernahme des Vorsitzes im UN-Sicherheitsrat durch Russland ist auf scharfe Kritik in Kiew gestossen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach angesichts des russischen Angriffskriegs gegen sein Land von einer «absurden und destruktiven» Konstellation und forderte eine Reform des höchsten Gremiums der Vereinten Nationen. Schon in der Vergangenheit hatte Kiew angezweifelt, dass Russland den ständigen Sitz im Sicherheitsrat als Nachfolger der Sowjetunion rechtmässig übernommen hat. Neben Russland sind auch die USA, Grossbritannien, Frankreich und China ständige Ratsmitglieder mit Veto-Recht.
Selenskyj sieht den Sicherheitsrat durch Russland kompromittiert
Erst am Vortag sei ein fünf Monate altes Baby durch russischen Artilleriebeschuss getötet worden, nun übernehme der Aggressor den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat, kritisierte Selenskyj am Samstag in seiner abendlichen Videoansprache. «Es ist kaum etwas vorstellbar, was den vollständigen Bankrott solcher Institutionen besser demonstriert.» Der ukrainische Aussenminister Dmytro Kuleba bezeichnete die Leitungsrolle als «schlechten Aprilscherz».
Der Vorsitz im Sicherheitsrat rotiert monatlich in alphabetischer Reihenfolge zwischen den Mitgliedstaaten, wobei neben den fünf ständigen auch die zehn nichtständigen Mitglieder an die Reihe kommen. Zuletzt hatte Russland den Vorsitz im Februar 2022 inne – als es die benachbarte Ukraine überfiel.
Selenskyj hatte aber auch Positives für seine Landsleute zu verkünden. Die Ukraine sei gestärkt aus der Woche hervorgegangen, sagte der Staatschef. Er bedankte sich unter anderem bei Deutschland für die Militärhilfe. Vor wenigen Tagen war das Eintreffen deutscher Schützen- und Kampfpanzer der Typen Marder und Leopard 2 in der Ukraine bekannt geworden. Der Schweiz sprach Selenskyj seinen Dank dafür aus, dass sie sich inzwischen den EU-Sanktionen gegen Russland angeschlossen hat.
Kiew veröffentlicht 12-Punkte-Plan für eine ‹Befreiung› der Krim
Der Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats der Ukraine, Olexij Danilow, hat in Kiew einen 12-Punkte-Plan zur «Befreiung» der von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim vorgelegt. So solle als Teil der «De-Okkupation» etwa die Krim-Brücke mit der Auto- und Eisenbahnverbindung zum russischen Kernland abgerissen werden, teilte Danilow am Sonntag bei Facebook mit. Die Vertreter des Machtapparates in Moskau bezeichnete er als «Müll».
Die Staatsdiener auf der Krim, die sich 2014 bei der Annexion mit den russischen Besatzern eingelassen hätten, würden einer Säuberung unterzogen nach dem Vorbild der Entnazifizierung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg, meinte Danilow. Die Kollaborateure und Verräter des ukrainischen Staates sollen in Strafverfahren zur Rechenschaft gezogen werden, heisst es etwa in Schritt 2 des Plans.
Besonders erwähnte Danilow auch Richter, Staatsanwälte, Angehörige der Sicherheitsorgane, die sich 2014 auf die Seite Russlands geschlagen hätten. Russen, die sich nach Februar 2014, auf der Krim niedergelassen haben, sollen vertrieben werden. Grundstückskäufe und andere Verträge würden annulliert.
Ukraine bestellt 100 Rosomak-Radschützenpanzer in Polen
Um die russischen Angreifer besser zurückschlagen zu können, bestellt die Ukraine in Polen 100 neue Radschützenpanzer des Typs KTO Rosomak. Das sagte der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki nach Angaben der Nachrichtenagentur PAP am Samstag bei einem Besuch der Herstellerfirma Rosomak im oberschlesischen Siemianowice Slaskie. Die Bestellung habe er vom ukrainischen Ministerpräsidenten Denys Schmyhal persönlich erhalten, so der liberalkonservative Politiker. Der Auftrag werde mit EU-Geld für Polen und Unterstützungszahlungen der USA an die Ukraine finanziert, hiess es.
Verteidigungsminister: Russland steigert Munitionsproduktion deutlich
Aber auch die Gegenseite rüstet weiter auf. Nach eigenen Angaben hat Russland seine Munitionsproduktion um ein Vielfaches gesteigert. «Das betrifft sowohl gewöhnliche als auch Hochpräzisionsmunition», sagte Verteidigungsminister Sergej Schoigu am Samstag bei einer Sitzung des Generalstabs. Damit könne Russland seine Kriegsziele erreichen. Zudem werde weiter an der Steigerung der Produktion gearbeitet. Schoigus Aussagen liessen sich nicht unabhängig überprüfen.
Mit Munitionsmangel haben mehr als ein Jahr nach Kriegsbeginn sowohl die Ukraine als auch Russland zu kämpfen. Auch der Westen, von dessen Lieferungen die ukrainische Landesverteidigung abhängig ist, versucht seine Produktion auszuweiten. Kremlchef Wladimir Putin hat bereits vor Monaten die einheimische Rüstungsindustrie dazu aufgefordert, mehr Waffen und Munition herzustellen. Die Betriebe arbeiten im Mehrschichtsystem, um den Anforderungen des Militärs nachzukommen. (awp/mc/pg)