Peter Löscher, Vorstandsvorsitzender Siemens.
München – Der Siemens-Konzern zieht sich komplett aus dem Atomgeschäft zurück. «Das Kapitel ist für uns abgeschlossen», sagte Konzernchef Peter Löscher dem «Spiegel». Abgezeichnet hatte sich der Schlussstrich bereits seit der Atomkatastrophe von Fukushima und der folgenden Kehrtwende in der deutschen Atompolitik. Doch nach dem kostspieligen Bruch mit dem französischen Kernkraft-Partner Areva konnte Siemens es sich nicht auch noch mit Rosatom verscherzen.
Jetzt lassen die Russen die Münchner in eine atomfreie Zukunft ziehen. Nach Angaben eines Konzernsprechers kostet der Abschied Siemens keinen Cent. Die Entscheidung sei die Antwort seines Unternehmens «auf die klare Positionierung von Gesellschaft und Politik in Deutschland zum Ausstieg aus der Kernenergie», sagte Löscher dem «Spiegel». Anstatt des geplanten Atom-Joint-Venture mit Rosamtom komme nun eine Zusammenarbeit «auf anderen Feldern» in Betracht.
Komponenentenlieferung an Rosatom möglich
Dabei hatte Löscher ursprünglich das Ziel, gemeinsam mit Rosatom Marktführer im weltweiten Atomenergiegeschäft zu werden. Anstatt sich am Bau kompletter Atomkraftwerke zu beteiligen, könnte Siemens nun Komponenten wie Dampfturbinen liefern, die auch bei konventionellen Kraftwerken zum Einsatz kommen. «Wenn Rosatom mit einer entsprechenden Bitte auf uns zukommt, werden wir sie sicher nicht abschlagen», sagte dazu ein Konzernsprecher der Nachrichtenagentur dpa. Genau das kritisierten jedoch umgehend Atomkraftgegner. «Wir begrüssen es sehr, dass Siemens künftig keine Atomtechnik mehr herstellen will. Allerdings ist es dann inkonsequent, wenn der Konzern weiterhin Turbinen und Generatoren für Atomkraftwerke liefern will», erklärte Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Organisation «Ausgestrahlt». «Wir fordern Siemens auf, vollständig auf das Geschäft mit AKWs zu verzichten.»
Konzern-Sprecher: Lange Gespräche mit Rosatom
Siemens habe lange Gespräche mit den Rosatom-Managern geführt, sagte ein Konzern-Sprecher. «Sie verstehen, dass ein Unternehmen mit deutschen Wurzeln der Entscheidung der Bundesregierung (zur Energiewende) Rechnung tragen muss.» Nachdem die Strafzahlung für den Ausstieg bei Areva Siemens mit 682 Millionen Euro inklusive Steuern teuer zu stehen kam, war den Münchnern an einem einvernehmlichen Rückzug gelegen. Zudem gehört Russland zu den aufstrebenden Ländern, in denen sich Siemens in den nächsten Jahren auf anderen Gebieten bedeutendes Wachstum erhofft.
Löscher: Energiewende «Jahrhundertprojekt»
Die beabsichtigte Energiewende in Deutschland stufte Löscher im «Spiegel»-Interview als «Jahrhundertprojekt» ein: Das Ziel, den Ökostrom-Anteil bis 2020 auf 35 Prozent zu erhöhen, hält er für erreichbar. Auch in der Euro-Diskussion unterstützt Löscher den Kurs von Angela Merkel. «Wir stehen voll hinter der weiteren europäischen Integration und den Europazielen der Bundeskanzlerin», sagte der Siemens-Chef dem «Spiegel». Er rechne nicht mit einem Zerfall der Euro-Zone. «Dieser Fall wird nicht eintreten», sagte Löscher. «Davon bin ich überzeugt». (awp/mc/ps)