Siemens übertrifft Erwartungen – Ausblick verhalten
München – Der Technologiekonzern Siemens hat im vierten Quartal einen starken Schlussspurt hingelegt und die Erwartungen der Analysten übertroffen. Auftragseingang, Umsatz und Ergebnis nahmen dank guter Geschäfte mit der Digitalisierung sowie der Medizintechniktochter Healthineers deutlich zu, Siemens erreichte so seine Jahresziele. Für das neue Geschäftsjahr blieb das Management um Konzernchef Joe Kaeser wegen der Konjunkturflaute vorsichtig. Insgesamt geht der Konzern von einem moderaten Wachstum bei Umsatz und Gewinn aus. Priorität hat 2020 die Ausgliederung und Börsennotierung des Energiegeschäfts.
Der Aktie verhalfen die Nachrichten zu einem Schub. Am Donnerstagmittag sprang die Aktie um mehr als 5 Prozent nach oben. Das Quartal sei sehr stark ausgefallen, schrieb RBC-Analyst Wasi Rizvi in einer ersten Einschätzung. Besonders in der Digitalisierungssparte seien die Erwartungen deutlich übertroffen worden. Der Ausblick liege am oberen Ende der Konsensschätzungen. Siemens habe ein ausgezeichnetes Quartal hinter sich, kommentierte auch Andreas Willi von JPMorgan. Die Ziele für das neue Geschäftsjahr seien für das Kerngeschäft zudem besser als erwartet.
Umfeld dürfte schwierig bleiben
Siemens sei «sehr gut» für die Zukunft aufgestellt, sagte Kaeser auf der Bilanzpressekonferenz in München. Das Umfeld dürfte jedoch schwierig bleiben. Siemens erwartet daher im Anfang Oktober begonnenen Geschäftsjahr 2019/20 weiteren Druck auf die kurzzyklischen Geschäfte, insbesondere in der Automobil- und Maschinenbaubranche. So geht der Konzern von moderat sinkenden Märkten in Bereichen wie Software oder Automatisierung aus. Der Druck dürfte dabei vor allem in der ersten Geschäftsjahreshälfte anhalten, erklärte Finanzvorstand Ralf Thomas.
Stagnation in Digitalisierungssparte erwartet
Für seine Digitalisierungssparte, die zusammen mit Healthineers den grössten Ergebnisbeitrag zum Konzern leistet, erwartet der Konzern daher keine grossen Sprünge. Im neuen Geschäftsjahr 2019/20 (per Ende September) geht Siemens in dem Segment von stagnierenden bis sinkenden Margen sowie einem unveränderten Umsatz aus. Auch für das Zuggeschäft erwartet der Konzern im schlechtesten Fall sinkende Renditen. Beim Geschäft für smarte Infrastruktur sieht Siemens dagegen eine leichte Besserung. Die vor der Ausgliederung stehende Energiesparte dürfte weiterhin vergleichsweise schwache Margen erwirtschaften.
Margenziele für den Konzern nannte Siemens nicht. Das Unternehmen soll auf vergleichbarer Basis moderat wachsen, was ein Plus von 3 bis 5 Prozent impliziert. Das Ergebnis je Aktie soll 6,30 Euro bis 7,00 Euro betragen, nach 6,41 Euro im Vorjahr. In der Mitte der Spanne würde das ein Gewinnwachstum von 4 Prozent bedeuten. Erträge aus der Ausgliederung des Energiegeschäfts dürften sich mit Belastungen aus diesem Prozess sowie Restrukturierungskosten in etwa die Waage halten. Die Investitionen sollen weiter zulegen.
«Sehr gut für die Zukunft aufgestellt»
«Wir können – vor allem relativ gesehen – auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr zurückblicken und sind sehr gut für die Zukunft aufgestellt», erklärte Kaeser. Das Strategiekonzept beginne zu greifen. Im Mittelpunkt stehe dabei der geplante Börsengang des Energiegeschäfts. «Dieser hat hohe Priorität.»
Siemens Energy soll an die Börse gebracht werden
Siemens will die Sparte Gas and Power, die unter anderem das Kraftwerksgeschäft enthält, ausgliedern und im kommenden Jahr im September unter dem Namen Siemens Energy an die Börse bringen. Dabei will Siemens die Mehrheit an dem neuen Unternehmen abgeben, aber Ankeraktionär bleiben. In die neue Gesellschaft soll dann auch der Anteil von 59 Prozent an dem Windanlagenbauer Siemens Gamesa eingebracht werden. Der designierte Energy-Chef Michael Sen macht dabei eine «Aufbruchstimmung» aus und erhofft sich unter anderem «mehr Flexibilität in Strategieentscheidungen». Das Marktumfeld ist dabei schwierig, der Preisdruck hoch, auch in der Windkraft.
Sen bekannte sich dabei zu der Beteiligung an Gamesa. «Wir sehen einen darwinistischen Verdrängungswettbewerb im Windenergiegeschäft», sagte er. Siemens Gamesa, die am Dienstag schwache Zahlen vorgelegt hatte, bewähre sich dabei im harten Markt besser als andere und sei ein wichtiges strategisches Element für das Energiegeschäft.
Transformation kommt gut voran
Siemens komme bei der Transformation gut voran, sagte Kaeser. «Danach wird die Marke Siemens nicht mehr ein Konglomerat traditioneller Prägung sein, sondern aus drei auf ihre Branchen fokussierte Unternehmen bestehen.» Das Kerngeschäft von Siemens wird dabei künftig aus dem Digitalisierungsgeschäft, der smarten Infrastruktur sowie dem Zuggeschäft bestehen, flankiert von Healthineers und Energy. Das Zuggeschäft soll dabei zunächst weiter im Konzern verbleiben. Derzeit gäbe es keinen Grund, über einen Börsengang der Sparte zu spekulieren, erklärte Kaeser. Siemens hatte die Sparte eigentlich mit dem französischen Konkurrenten Alstom fusionieren wollen, scheiterte aber an der europäischen Wettbewerbsbehörde.
Fragen um Kaesers Zukunft
Fragen zu seiner Zukunft blockte Kaeser ab. Der Vertrag des 1957 geborenen Niederbayern läuft Anfang 2021 aus, der Siemens-Aufsichtsrat hatte Technik-Vorstand Roland Busch zum 1. Oktober zum stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden bestellt und damit quasi zum Kronprinz gemacht. Über die Nachfolge und deren Zeitpunkt soll im Sommer 2020 entschieden werden. Das hatte zu Spekulationen geführt, Kaeser könne womöglich früher gehen. Aber auch das Gegenteil könnte theoretisch der Fall sein – dass der Manager womöglich doch noch einmal verlängert, um die Früchte seines Strategieprogramms zu ernten. Kaeser sprach lediglich von einer «konventionellen, klaren Nachfolgeregelung». Der ersten «seit 15 Jahren». Weiter wollte sich Kaeser nicht äussern, ausser: «ich werde garantiert nicht um fünf Jahre verlängern». (awp/mc/pg)