Rom – Eine Ära ist zu Ende: Der italienische Regierungschef Silvio Berlusconi ist am Samstagabend zurückgetreten. Das teilte das Amt von Staatspräsident Giorgio Napolitano in Rom mit. In der italienischen Hauptstadt feierten zahlreiche Berlusconi-Gegner stundenlang den Rücktritt des umstrittenen «Cavaliere». Der Rücktritt Berlusconis wird in Italien als Ende einer Epoche gewertet: 17 Jahre lang bestimmte der heute 75-jährige Medienmogul politisch das Geschehen in seinem Land.
Berlusconi hatte Napolitano nach einer letzten Kabinettssitzung seiner Mitte-Rechts-Regierung am Abend aufgesucht, um seinen Rücktritt einzureichen. Als Nachfolger ist der ehemalige EU-Kommissar Mario Monti im Gespräch. Von dem Wirtschaftsfachmann erhoffen sich die Italiener Lösungen für das hoch verschuldete und unter starkem Druck der Finanzmärkte stehende Land.
Händels «Halleluja» zum «Tag der Befreiung»
Vor dem Präsidentenpalast Quirinale feierten Berlusconi-Gegner seinen Rücktritt. Hunderte Italiener auch aus anderen Teilen des Landes waren zusammengekommen, über SMS und Facebook mobilisiert, wie italienische Medien berichteten. Zur Musik der italienischen Nationalhymne und Georg Friedrich Händels «Halleluja» zelebrierten sie den «12. November – Tag der Befreiung». «Tritt ab, geh nach Hause», lauteten Sprechchöre gegen Berlusconi, als dieser das Abgeordnetenhaus durch den Hintereingang verliess. Rufe wie «Hau ab, Mafioso» hatten den umstrittenen Ministerpräsidenten bei seiner Abfahrt aus seiner Villa Grazioli auf dem Weg zum Quirinalspalast begleitet. Ein Sturm der Entrüstung «Hanswurst, Hanswurst» empfing ihn, als er – schwer eskortiert – dort eintraf.
Abgeordnetenhaus billigt Reformpaket
Zuvor hatte nach dem Senat auch das Abgeordnetenhaus einem von Brüssel verlangten Reformpaket zugestimmt. 380 der 630 Abgeordneten sprachen sich für das Gesetz aus, 26 votierten dagegen. Es gab zwei Enthaltungen. Die grösste Oppositionspartei PD (Demokratische Partei) war in der Kammer präsent, stimmte aber nicht mit ab. Die Abstimmung war der letzte Akt der vor dreieinhalb Jahren eingesetzten Regierung Berlusconi. Das Gesetzespaket enthält unter anderem Steuererleichterungen zur Förderung des Wachstums und den Verkauf von Staatseigentum zum Abbau des Schuldenberges. Die Massnahmen sollen aber auch für größere Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt sorgen. Zudem ist eine Anhebung des Rentenalters auf 67 bis 2026 vorgesehen.
Monti als Nachfolger im Gespräch
«Die Zeit Berlusconis ist vorbei, für Italien beginnt eine neue Zeit», erklärte Dario Franceschini, PD-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus. Nun sei die Opposition dazu aufgerufen, das Land «auf den Trümmern wieder aufzubauen». Auf den Abtritt des umstrittenen Regierungschef folgt die offizielle Regelung der Nachfolge. Am Sonntagmorgen will Staatspräsident Napolitano mit den Konsultationen der Parteien beginnen, um eine Übergangsregierung vor allem aus Fachleuten zu bilden. Monti werden beste Chancen eingeräumt, weil trotz einer Zerreissprobe inzwischen auch Berlusconis Partei ihre prinzipielle Zustimmung zu einer Regierung aus Fachleuten um Monti gegeben hat.
Neuwahlen als Alternative
Allerdings soll Berlusconi bereits auch damit gedroht haben, dass «wir auch wieder abschalten können, wann wir wollen.» Ausserdem würde er gern seinen Vertrauten Gianni Letta in der neuen Regierung sehen. Eine Alternative zu einer Notregierung wären Neuwahlen. Napolitano muss prüfen, welche Lösung sich anbietet. Er selbst mache sich für eine Regierung unter Monti stark, wie italienische Medien übereinstimmend berichten. Am Freitag hatten die Märkte positiv reagiert. Der Euro stieg über die Marke von 1,37 Dollar und die Rendite für richtungsweisende zehnjährige italienische Staatsanleihen fiel auf 6,416 Prozent und lag damit gut einen Prozentpunkt unter den Rekordständen vom Mittwoch. Die EU hatte vom Euro-Krisenland Italien erhebliche Sparanstrengungen verlangt. (awp/mc/ps)
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