Slowakei sucht im EU-Vorsitz Lösung für Brexit und Flüchtlinge

Slowakei sucht im EU-Vorsitz Lösung für Brexit und Flüchtlinge

Robert Fico, slowakischer Ministerpräsident und neuer EU-Ratsvorsitzender.

Bratislava – In turbulenten Zeiten für die Europäische Union hat die Slowakei erstmals die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Ihr Regierungschef Robert Fico sprach sich bei der Übernahme des Vorsitzes am Freitag in Bratislava gegen nationale Alleingänge einzelner Staaten aus. «Jede Diskussion, die einzelne Mitgliedsländer über die Zukunft der EU führen wollen, muss über die EU-Kommission und die offiziellen EU-Institutionen laufen», betonte Fico.

Als besondere Herausforderungen für den slowakischen EU-Vorsitz gelten die britische Entscheidung zum Austritt aus der EU und die Flüchtlingskrise, in der Bratislava sich bisher gegen eine gemeinsame EU-Linie stemmte. Fico erklärte, einzelne EU-Staaten sollten neben der EU-Kommission verstärkt eigene Vorschläge in Debatten einbringen.

Die Slowakei erhofft sich dabei viel von einem für den 16. September angesetzten informellen Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Bratislava ohne britische Beteiligung. Dann soll es nicht nur um Grossbritannien gehen, sondern auch um EU-Reformen, um Vertrauen der Bevölkerung zurück zu gewinnen. Es sei wichtig, auch Treffen ausserhalb von Brüssel zu ermöglichen, bei denen die EU-Spitzen ohne Entscheidungsdruck über Probleme diskutieren könnten, sagte Fico.

«Back to Schengen!»
Ausdrücklich bezog sich der Sozialdemokrat dabei auf die Flüchtlingskrise, in der sich die Slowakei zuletzt selbst nicht solidarisch gezeigt hatte. Fico forderte gemeinsame Lösungen, zu denen auf jeden Fall eine Verstärkung des gemeinsamen Grenzschutzes gehören müsse: «Back to Schengen!» müsse als Devise gelten.

Aussenminister Miroslav Lajcak hatte schon am Vorabend erklärt, die slowakische Bevölkerung habe «keine Erfahrungen mit multikultureller Einwanderung». Man dürfe sie damit nicht überfordern, sonst würde dies nur rechtsextremen Kräften Auftrieb geben. Ähnliches gelte auch für andere Länder.

Nachdem es bis vor kurzem im slowakischen Parlament nur EU-Befürworter gab, sind seit der Parlamentswahl am 5. März erstmals auch rechtspopulistische (Slowakische Nationalpartei SNS und «Wir sind Familie») sowie rechtsextreme (Volkspartei Unsere Slowakei LSNS) Kräfte vertreten.

Als Lösungsweg für die EU-Flüchtlingskrise stellte die slowakische Staatssekretärin im Innenministerium, Denisa Sakova, die Unterbringung von Flüchtlingen in Gabcikovo bei Bratislava dar. Diese Flüchtlinge seien im österreichischen Asylverfahren, würden aber währenddessen von der Slowakei versorgt. Das Land lehnt als eines der mittelosteuropäischen Länder die 2015 auf den Weg gebrachte Umverteilung von 160’000 Flüchtlingen innerhalb der EU ab.

In Ländern wie der Slowakei wollten sich die meisten Flüchtlinge ohnehin nicht niederlassen, betonte Sakova. Das Projekt Gabcikovo biete daher eine beispielhafte Alternativlösung nicht nur in Ost- und Mitteleuropa. «Das ist unser Rezept für die Lösung der Flüchtlingsfrage», sagte Fico.

«Ein Europa à la carte kann es nicht geben»
Zum Brexit hatte Aussenminister Lajcak schon am Vorabend betont, Grossbritannien könne nicht nur Rechte behalten, sondern habe auch Pflichten: «Ein Europa à la carte kann es nicht geben. 28 bilaterale Verträge mit Brüssel wären das Ende der EU.»

Regierungschef Fico kündigte an, sein Land werde beim ersten Vorsitz seit dem EU-Beitritt des Landes im Jahr 2004 «ein ehrlicher Makler und guter Moderator» sein. «Dies ist ein bedeutsamer Moment in der Geschichte der Slowakei», meinte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker.

Die seit 1993 unabhängige Slowakei, die auch zur Eurozone gehört, übernimmt den Vorsitz von den Niederlanden und hat ihn bis zum Jahresende inne. Zu den Aufgaben einer EU-Ratspräsidentschaft gehört unter anderem, dass die jeweiligen Ressort-Minister des Landes die EU-Treffen ihrer Amtskollegen leiten und die Tagesordnungen organisieren.

Die Slowakei wolle zudem während ihrer sechsmonatigen Amtszeit nicht nur Krisenmanagement betreiben, sondern auch eigene Schwerpunkte setzen, hiess es. Als Prioritäten stehen dabei noch die Stärkung der EU-Wirtschaft und des Binnenmarktes sowie die globale Rolle der EU auf der Agenda. (awp/mc/upd/ps)

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