Allianz-Vorstandsmitglied Oliver Bäte.
Allianz-Vorstandsmitglied Oliver Bäte.München – Die Versicherer Allianz und Zurich Financial Services fürchten angesichts der Schuldenkrise in Europa und die neuen Kapitalvorschriften falsche Investitionsanreize für ihre Branche. Investitionen in Staatsanleihen von EU-Staaten gelten nach den Regeln als völlig sicher – auch wenn sie aus den Krisenländern Griechenland oder Portugal stammen.
«Nach den gegenwärtigen Regeln sind wir gezwungen, verstärkt in Staatsanleihen zu investieren», sagte Allianz-Vorstandsmitglied Oliver Bäte. Das sei aber angesichts der Risiken gar nicht im Sinne der Kunden. Derzeit wird über einen möglichen Schuldenschnitt für Staatsanleihen diskutiert.
Branche soll weniger anfällig für Krisen werden
Die «Solvency II»-Regeln sollen die Versicherer ab dem Jahr 2013 dazu zwingen, für ihre Kapitalanlagen je nach eingegangenem Risiko deutlich mehr Eigenkapital zu hinterlegen. Damit soll die Branche weniger anfällig für Krisen werden. Während für Immobilien eine Kapitalunterlegung von 25 Prozent vorgesehen ist, müssen die Versicherer für Staatsanleihen aus der EU kein Kapital bereithalten. Zurich-Vorstand Dieter Wemmer hält das für Unsinn. «Wir können nicht weiter so tun, als gäbe es keine Bonitätsunterschiede in Europa», sagte der Manager. Wie bei anderen Staaten auch, müsse die Kreditwürdigkeit der EU-Mitglieder unterschiedlich behandelt werden.
Heftig schwankender Kapitalbedarf erwartet
Ab 2013 dürften sich die Versicherer nach Einschätzung Bätes mit einem heftig schwankenden Kapitalbedarf konfrontiert sehen. «Die Kapitalanforderungen werden deutlich volatiler, als wir das bisher gesehen haben», sagte Wemmer, dessen Unternehmen bereits seit Jahresbeginn unter dem Swiss Solvency Test ähnlichen Regeln unterworfen ist. Die Allianz hat in einem eigenen Stresstest errechnet, dass ihre für Solvency II errechnete Solvenzquote in einer Krise von 180 auf 140 Prozent sinken würde. Dies könne von Quartal zu Quartal auf und ab gehen, sagte Bäte.
Veränderungen an Regeln gefordert
Auch wenn sich die Allianz mit diesen Schwankungen prinzipiell abgefunden hat, fordern sie und Zurich dennoch Veränderungen an einigen Regeln. So wollen sie in den Modellrechnungen das gesamte Versicherungsgeschäft berücksichtigt wissen, damit die Aufseher und das Unternehmen nicht mit unterschiedlichen Kriterien arbeiten. Die künftigen Prämienzahlungen in der Lebensversicherung sollen als Kernkapital anerkannt werden. Und die Kapitalanforderungen etwa für Immobilien und langfristige Anlagen widersprächen derzeit «wirtschaftlicher Realität».
Negative Auswirkungen auf Realwirtschaft befürchtet
Dies könnte sich nach Einschätzung Bätes ähnlich wie die Kapitalregeln für Banken negativ auf die Realwirtschaft auswirken: «Versicherer investieren dann weniger in Branchen mit langfristigem Investitionsbedarf, und Banken werden bei der Kreditvergabe noch zurückhaltender.» Für die Kunden sieht der Allianz-Manager durch die verschärften Anforderungen vor allem eine Folge: «Alles wird teurer.»
Mit geplantem Regelwerk abgefunden
Trotz der Kritikpunkte haben sich Allianz und Zurich mit dem geplanten Regelwerk weitgehend abgefunden. «Ein pünktlicher Start ist nötig, möglich und sinnvoll», sagte Bäte. Eine Einigung peilen die Manager für den Sommer an – dann könnten die Regeln Anfang 2013 in Kraft treten. Allerdings fordern Bäte und Wemmer Übergangsfristen etwa für Hybridanleihen und die immensen Dokumentationspflichten.
Für die klassische deutsche Lebensversicherung hofft der Allianz-Manager, bis Herbst mit den Aufsichtsbehörden zu einer tragbaren Lösung zu kommen. Der deutsche Versicherungsverband GDV hatte Anfang des Jahres heftig kritisiert, dass die vorgesehenen Regeln ein rentables Lebensversicherungsgeschäft mit den bisher üblichen Garantien deutlich erschwerten. (awp/mc/pg)