Mario Monti, abtretender italienischer Ministerpräsident.
Rom / Brüssel – Die Rücktrittsankündigung des italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti und der Comeback-Versuch seines Vorgängers Silvio Berlusconi beunruhigen Politik und Finanzmärkte. Der deutsche Aussenminister Guido Westerwelle warnte vor einem Ende der Reformpolitik in dem Land. «Italien darf jetzt nicht den begonnenen Reformweg abbrechen», sagte er am Rande eines Treffens mit seinen EU-Kollegen am Montag in Brüssel. Die europäischen Finanzmärkte reagierten mit deutlichen Abschlägen auf die italienische Regierungskrise. Monti selbst räumte ein: «Ich bin sehr besorgt.»
Westerwelle mahnte: «Zwei Drittel der Reformstrecke hat Italien hinter sich. Aber das letzte Drittel ist jetzt entscheidend.» Ein Abbruch der von Monti eingeleiteten Reformpolitik wäre «nicht nur eine erhebliche Schwächung Italiens selbst, sondern es könnte auch Europa erneut in Turbulenzen bringen».
Monti lässt eigene Kandidatur offen
Monti hatte seinen Rückzug am Wochenende angekündigt, nachdem die Mitte-Rechts-Partei PdL des früheren Premiers Berlusconi seiner Regierung die Unterstützung entzogen hatte. Berlusconi (76) will erneut kandidieren. Der parteilose Reformer Monti ist seit November 2011 im Amt. Er will seinen Rücktritt nach der für Weihnachten geplanten Verabschiedung eines Stabilitäts- und Haushaltsgesetzes vollziehen. Ob er selbst bei der nun für Februar oder März erwarteten vorgezogenen Parlamentswahl als Kandidat antreten wird, liess Monti offen: «Ich weiss es wirklich nicht.»
Um den Märkten die Chance zu geben, «einen möglichen Schlag zu verdauen», habe er seinen Rücktrittsentschluss am Wochenende bekanntgegeben, sagte Monti der Zeitung «La Repubblica» (Montag). «Ich hoffe natürlich, es wird keinen geben», fügte er hinzu.
Anleihen Italiens und Spaniens unter Druck
Am italienischen Anleihemarkt gaben die Kurse spürbar nach. Im Gegenzug legte die Rendite zehnjähriger Titel um etwa 0,3 Prozentpunkte auf 4,8 Prozent zu. Das ist deutlich mehr als Anfang Dezember, als die Rendite mit etwa 4,4 Prozent auf den tiefsten Stand seit zwei Jahren gefallen war. Der Risikoaufschlag zu als sicher geltenden deutschen Schuldtiteln stieg auf rund 3,5 Prozentpunkte.
Im Fahrwasser Italiens mussten auch spanische Anleihen Kursverluste hinnehmen. Die Rendite zehnjähriger spanischer Staatstitel stieg zeitweise auf gut 5,6 Prozent. Der Risikoaufschlag zu deutschen Staatsanleihen kletterte auf bis zu 4,3 Prozentpunkte.
Aktien verlieren – Euro stagniert
Auch die europäischen Aktienmärkte reagierten mit spürbaren Abschlägen auf die politische Ungewissheit in Italien. Bis zum Nachmittag beruhigte sich die Lage aber wieder etwas. Der italienische Leitindex FTSE MIB fiel zeitweise um über drei Prozent zurück. Vor allem italienische Bankenwerte standen unter Druck. Der spanische Aktienindex IBEX 35 sank zuletzt um 1,25 Prozent auf 7.750 Punkte. Der europäische Index EuroStoxx gab um ein halbes Prozent auf 2.587 Punkte nach.
Deutsche Staatsanleihen, die unter Investoren als «sicherer Hafen» gelten, erhielten zwischenzeitlich spürbaren Zulauf. Im Gegenzug fiel die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe bis auf 1,26 Prozent. Das ist der tiefste Stand seit etwa vier Monaten. Der Euro reagierte indes kaum. Er kostete am Nachmittag 1,2930 Dollar und damit in etwa so viel wie am Freitag.
Ökonomen warnen
Ökonomen sehen unterdessen grosse Risiken in den italienischen Neuwahlen. Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, nennt die Gefahr einer Wahlkampagne Silvio Berlusconis gegen den eingeschlagenen Reform- und Sparkurs Italiens. Berlusconi, der schon mehrfach gegen den Kurs Montis gewettert hatte, kündigte am Wochenende an, bei Neuwahlen wieder antreten zu wollen. Schmieding argumentiert, die Ungewissheit vor den Wahlen könnte zu abermaligen Turbulenzen an den Finanzmärkten führen.
Dennoch kamen von Bankvolkswirten nicht nur warnende Töne. Einige Experten verwiesen darauf, dass die linksliberale Partito Democratico (PD) unter Pier Luigi Bersani grosse Chancen habe, bei den Neuwahlen eine Parlamentsmehrheit zu erringen. Die PD gilt als grundsätzlich reformfreundliche Partei, die auch dem Kurs Mario Montis zugeneigt ist. Die Popolo della Liberta (PdL) unter Ex-Regierungschef Berlusconi liegt in Umfragen weit hinter der PD. Die aktuelle Krise wurde vergangene Woche ausgelöst, als die PdL Regierungschef Monti die Unterstützung entzog. (awp/mc/upd/ps)