Angriff auf Hisbollah-Kommandeur in Beirut – mehrere Tote
Tel Aviv / Beirut – Trotz weltweiter Aufrufe zur Zurückhaltung setzen Israel und die libanesische Hisbollah-Miliz ihre gegenseitigen Angriffe fort. Damit wächst die Sorge, dass die Kämpfe sich zu einem umfassenden Krieg sowie zu einem regionalen Flächenbrand ausweiten könnten.
Israelische Kampfflugzeuge griffen nach Armeeangaben ein Ziel in Libanons Hauptstadt Beirut an. Ibrahim Akil sei das Ziel des Luftschlags gewesen, meldeten mehrere israelische Medien unter Berufung auf Sicherheitskreise. Akil soll bei dem Angriff ums Leben gekommen sein.
Akil gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Hisbollah und wirkte insbesondere im militärischen Flügel der schiitischen Organisation. Die USA hatten ein Kopfgeld in der Höhe von sieben Millionen Dollar auf Akil ausgesetzt. Bereits Anfang der 90er-Jahre hatte Israel versucht, Akil auszuschalten.
Mindestens acht Tote
Bei dem Angriff der israelischen Armee wurden nach Behördenangaben mindestens neun Menschen getötet. 59 weitere Personen seien verletzt worden, teilte das libanesische Gesundheitsministerium mit. Die libanesische Nachrichtenagentur NNA hatte gemeldet, dass mindestens fünf Menschen getötet wurden. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Zuvor hatten Kampfflugzeuge rund 100 Raketenabschussrampen der proiranischen Miliz bombardiert, wie das israelische Militär mitteilte. Libanesische Sicherheitskreise sprachen von einer der schwersten Angriffswellen seit Beginn des gegenseitigen Beschusses im Oktober vergangenen Jahres.
Aus dem Libanon wurden nach israelischen Militärangaben erneut zahlreiche Raketen auf den Norden Israels abgefeuert. Die Armee registrierte eigenen Angaben zufolge rund 140 Geschosse. Israelischen Medien zufolge brachen durch den Beschuss Brände aus. Berichte über Verletzte gab es zunächst nicht. Die Hisbollah-Miliz reklamierte mehrere Angriffe für sich. Anwohner in zahlreichen Orten im Norden Israels sind dazu aufgerufen, in der Nähe von Schutzräumen zu bleiben.
Sorge vor israelischer Bodenoffensive wächst
Das militärische Vorgehen Israels vergrössert die Sorge vor einer möglichen Bodenoffensive im Süden des Nachbarlands. Der jüdische Staat will die Hisbollah wieder aus dem Grenzgebiet verdrängen, damit die grenznahe Region im Norden wieder sicher wird. Mit diplomatischem und militärischem Druck möchte Israel erreichen, dass rund 60.000 geflüchtete Menschen wieder in ihre Häuser und Wohnungen im Norden des Landes zurückkehren können. Eine UN-Resolution sieht vor, dass die Hisbollah sich aus dem Grenzgebiet bis zum 30 Kilometer entfernten Litani-Fluss zurückziehen muss.
Hisbollah: Beschuss Israels bis zum Ende des Gaza-Kriegs
Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah hatte am Donnerstag in einer landesweit übertragenen Rede angekündigt, den Beschuss Nordisraels fortzusetzen. Israel könne erst dann wieder Menschen in Sicherheit in den Norden zurückkehren lassen, wenn der Krieg im Gazastreifen gestoppt werde. Die Hisbollah handelt nach eigener Darstellung aus Solidarität mit der islamistischen Hamas in dem Küstengebiet. Beide Gruppen werden von der Islamischen Republik Iran unterstützt, deren Staatsführung Israel als Erzfeind betrachtet.
Zugleich beschuldigte Nasrallah Israel, für die Explosionen von Pager und Handfunkgeräten verantwortlich zu sein. Der Hisbollah-Chef sprach von einer Kriegserklärung und kündigte Vergeltung an. Mindestens 37 Menschen kamen nach Behördenangaben am Dienstag und Mittwoch bei den Explosionen der manipulierten Geräte ums Leben. Rund 3.000 weitere wurden demnach verletzt. Israel hat sich bislang nicht öffentlich zu den Angriffen bekannt.
Galant: Hisbollah zahlt wachsenden Preis
Israels Verteidigungsminister Joav Galant kündigte an, Israel werde die Angriffe auf die Hisbollah fortsetzen. «Die Serie unserer Militäraktionen wird weitergehen», sagte er. «Mit der Zeit wird die Hisbollah einen wachsenden Preis zahlen.»
Der fast tägliche gegenseitige Beschuss hat sich zu einem niedrigschwelligen Krieg entwickelt. Im Libanon wurden nach amtlichen Angaben bereits etwa 600 Menschen getötet, die meisten davon Hisbollah-Mitglieder. In Israel kamen nach offiziellen Angaben zufolge 48 Menschen durch die Angriffe der proiranischen Miliz ums Leben, darunter Soldaten, aber auch viele Zivilisten.
Keine Einigung bei Gaza-Verhandlungen in Sicht
Da die Hisbollah ihren Beschuss Israels mit dem Gaza-Krieg verknüpft, bemühen sich internationale Vermittler um eine Feuerpause. Die Verhandlungen, bei denen die USA, Ägypten und Katar zwischen Israel und der Hamas vermitteln, drehen sich jedoch seit Monaten im Kreis.
Ranghohe US-Beamte räumten inzwischen in privaten Gesprächen ein, dass sie während der Amtszeit von US-Präsident Joe Biden, die im Januar enden wird, keine Einigung zwischen Israel und Hamas mehr erwarten, berichtete das «Wall Street Journal». «Eine Einigung steht nicht unmittelbar bevor», sagte einer der US-Beamten. «Ich bin mir nicht sicher, ob es je zustande kommt.»
Israels Armee untersucht Vorfall im Westjordanland
Israels Armee untersucht einen Vorfall, bei dem Soldaten im Westjordanland die Leichen von mutmasslichen palästinensischen Militanten von einem Dach gestossen haben. Das Militär sprach von einem «schwerwiegenden Vorfall», der nicht mit den Werten der israelischen Armee und den Erwartungen an ihre Soldaten übereinstimme.
Videos, die in sozialen und israelischen Medien verbreitet wurden, zeigen, wie drei Soldaten die bei einem Armeeeinsatz am Donnerstag nahe Dschenin getöteten Personen von einem Dach werfen beziehungsweise treten. Die Aufnahmen sorgten auch in Israel für Entsetzen. (awp/mc/pg)