Madrid – Die Spanier werden wegen der schweren politischen Krise im Land schon wieder an die Urnen gerufen. Datum für die vierte Parlamentswahl in vier Jahren ist der 10. November – oder «10-N», wie es in Spanien heisst. Denn seit Dienstagabend ist klar, dass eine Regierungsbildung unter dem amtierenden Ministerpräsidenten Pedro Sánchez endgültig gescheitert ist. Zwar könnten die Verhandlungen der verschiedenen Parteien theoretisch noch bis Anfang nächster Woche andauern – aber die Situation ist so festgefahren, dass König Felipe VI. nach zweitägigen Gesprächen mit allen Parteichefs davon absah, den Sozialisten Sánchez oder einen anderen Kandidaten überhaupt noch mit dem Versuch einer Regierungsbildung zu beauftragen.
Bei einer lebhaften Parlamentsdebatte schoben sich die Parteien am Mittwoch gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Sánchez – der die Wahl Ende April mit fast 29 Prozent der Stimmen klar gewonnen, eine absolute Mehrheit aber deutlich verfehlt hatte – habe von Anfang an auf eine weitere Abstimmung spekuliert, kritisierte Oppositionsführer Pablo Casado von der konservativen Volkspartei (PP). «Sie haben mit keiner der im Parlament vertretenen Parteien eine Einigung gesucht», monierte Casado und warf dem 47-Jährigen «Überheblichkeit» vor.
Sánchez hofft «deutlichere Mehrheit»
Sánchez konterte, er hoffe, dass seine Partei im November eine «deutlichere Mehrheit» von den Spaniern bekomme, damit die anderen Parteiführer eine Regierungsbildung nicht mehr blockieren könnten. Ein Kommentator im staatlichen Sender RTVE meinte, schon vor Ablauf der Frist am Montag habe der Wahlkampf in Spanien längst wieder begonnen. Laut Verfassung muss der König das Parlament auflösen, wenn bis um Mitternacht des 23. September keine Regierung steht.
Kritiker hielten Sánchez seit Monaten vor, sich nie ernsthaft um eine Lösung bemüht zu haben. Vorschläge des linksalternativen Bündnisses Unidas Podemos (UP) für eine Koalition samt UP-Ministern lehnte er strikt ab, weshalb er bereits im Juli bei zwei Parlamentsabstimmungen über seine Kandidatur gescheitert war. UP-Chef Pablo Iglesias sprach von einem «historischen Fehler» und twitterte wütend, «Arroganz und Missachtung der Grundregeln einer parlamentarischen Demokratie» hätten die Oberhand über gesunden Menschenverstand gewonnen.
Podemos dürfte weiter das Zünglein an der Waage sein
Einen weiteren Flop wollte sich Sánchez wohl ersparen – auch weil die Sozialisten laut Umfragen im November noch einmal zulegen und auf mehr als 30 Prozent der Stimmen kommen könnten. In Parlamentssitzen würde das einen Anstieg von 123 auf etwa 140 bedeuten. Die Aussichten auf eine regierungsfähige Mehrheit wären dann besser – auch wenn Unidas Podemos weiterhin das Zünglein an der Waage wäre.
Vierte Parlamentswahl in vier Jahren
In der viertgrössten Volkswirtschaft der Eurozone sind Parlamentswahlen mittlerweile schon zur Routine geworden. Bereits im Dezember 2015 und im Juni 2016 waren die Spanier zu den Urnen gerufen worden. Nach der Abstimmung vom April muss nun zum zweiten Mal in der Geschichte der spanischen Demokratie eine Wahl wiederholt werden.
Grund für die veränderte politische Situation in den vergangenen Jahren ist das Ende des faktischen Zweiparteiensystems aus konservativer PP und sozialistischer PSOE und die daraus resultierende Verteilung der Stimmen auf neue Gruppierungen. Sánchez war im Juni 2018 nach einem Misstrauensvotum gegen seinen konservativen Vorgänger Mariano Rajoy ins Amt gekommen und führte eine Minderheitsregierung. Nur acht Monate später scheiterte er mit seinem Haushaltsentwurf und rief eine Neuwahl aus. (awp/mc/pg)