Peer Steinbrück, ehemaliger deutscher Finanzminister und möglicher SPD-Kanzlerkandidat.
Berlin – Unter Dach und Fach ist das Steuerabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland noch nicht. Der einflussreiche Ex-Finanzminister von der SPD, Peer Steinbrück, hat die Vereinbarungen vor ein paar Tagen als Ungerechtigkeit gebrandmarkt. Seine Partei könnte das Abkommen scheitern lassen. Der Mann, dessen bildhafte Drohung mit der Kavallerie 2009 die Schweizer Volksseele hochkochen liess, bezeichnete das am Mittwoch von der christlich-liberalen Regierung und Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf unterzeichnete Abkommen als «dubios, lückenhaft und nachlässig».
Steinbrück stösst ist unter anderem sauer auf, dass deutsche Steuersünder per Ablasszahlung begnadigt werden. Auch die Schweizer Banker, die beim Verstecken von Vermögen geholfen hätten, würden amnestiert, schäumte der Politiker in einem eigenhändig verfassten Beitrag in der «Zeit». So etwas verhallt in Deutschland nicht ungehört: Die SPD könnte in der Länderkammer, dem Bundesrat, die Ratifizierung des Vertrags verhindern. «Die Frage wird sein, wie sehr sich die SPD und speziell Peer Steinbrück auf das Thema einschiessen», erklärt Politikwissenschaftler Wolfgang Seibel von der Universität Konstanz. Steinbrück wird schon jetzt als möglicher Kandidat für das Amt des Bundeskanzlers in den Wahlen von 2013 gehandelt.
Steilvorlage für Steinbrück
Der Finanzminister des SPD-geführten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen wie auch die Gewerkschaften wollen das Abkommen zu Fall bringen. «Es könnte also sein, dass auch Steinbrück sich über dieses Thema profilieren will», sagt Politologe Seibel. Im Bundesrat in Berlin müsste die SPD aber erst eine Mehrheit schmieden: «In Ländern, wo sie in Koalitionen regiert, müsste sie ihren Koalitionspartner von einer Ablehnung des Gesetzes überzeugen» sagt Seibel. Sind dies die Grünen, dürfte das relativ leicht sein. In Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Sachsen-Anhalt regiert die SPD aber in Koalitionen mit der CDU.
«Vorliegender Vertrag für Deutschland attraktiv»
Zudem bleibt Finanzminister Wolfgang Schäuble nicht untätig. Der CDU-Politiker wird auf die Landesregierungen zugehen und sie vom Nutzen des Abkommens zu überzeugen versuchen. «Diese werden sich überlegen, ob sie sich mit dem zufriedengeben, was sie durch das Abkommen bekommen, oder ob sie die Probleme bei einer Blockade in Kauf nehmen», lautet die Einschätzung von Prof. Seibel. Finanz- und Steuerexperte Bruno Patusi von der Beratungsfirma Ernst & Young erklärt, warum sich die Bundesländer für das Abkommen entscheiden könnten: «Der vorliegende Vertrag ist für Deutschland attraktiv und opportun, weil die deutsche Steuerverwaltung ohne grossen Erhebungsaufwand an Steuereinnahmen gelangt.»
Individuelle Verhandlungen im Fall eines Scheiterns
Scheitere das Abkommen, müssten die Schweizer Banken individuell verhandeln, wie das schon Julius Bär und die CS gemacht hätten, erklärt Patusi. «Sie würden sich zur Bereinigung der Altlasten und zur ‹Entkriminalisierung› der involvierten Mitarbeiter auf eine Strafzahlung mit den deutschen Steuerbehörden einigen.» Möglich wäre auch, dass die Schweiz eine Gesamtlösung für die Banken suchen würde. Deutschland hätte dann in Zukunft keine garantierten Steuereinnahmen, könnte dafür womöglich in den Besitz neuer Kundendaten gelangen und im Rahmen des Amtshilfeverfahrens in der Schweiz Auskünfte verlangen, so der Experte.
Verzicht auf umstrittene CD-Verkäufe im Abkommen
Ob sich der damit verbundene Aufwand lohnt, liegt nun im Ermessen der Bundesländer. Zudem kämen die auch in Deutschland umstrittenen CD-Käufe wieder ins Spiel, auf die Berlin mit dem Abkommen verzichten würde. Die Argumente, das von der CDU-geführten Koalition ausgehandelte Abkommen sei ungerecht, könnten sich laut Politikexperte Seibel als nicht überzeugend herausstellen: 2003 habe die damalige rot-grüne Regierung ein Steueramnestiegesetz ausgehandelt, das dem jetzt zur Debatte stehenden Abkommen ähnlich gewesen sei, jedenfalls, was die Anreizstruktur für Steuerhinterzieher betreffe.
Aufruf zum «Satteln der Pferde»
«Dieses Gesetz brachte damals übrigens nicht die erhoffte Wirkung», erinnert sich Seibel. Damals versuchte übrigens ein CDU-dominierter Bundesrat, das rot-grüne Vorhaben auszuhebeln. Somit müssen sich die Bundesländer und die SPD überlegen, ob sie den Spatz in der Hand oder die Schwalbe auf dem Dach wollen. Eine Gesamtlösung – in diese Richtung laufen die Gespräche mit den USA – brächte Deutschland eventuell mehr, vor allem bei starkem Druck auf die Schweiz. Genau dies fordert Peer Steinbrück, indem er Deutschland zum «Satteln seiner Pferde» aufruft. (awp/mc/ps)