London setzt trotz US-Drucks im Streit mit Teheran auf Entspannung

London setzt trotz US-Drucks im Streit mit Teheran auf Entspannung
Der inzwischen auf "Adrian Darya-1" umgetaufte Supertanker "Grace 1".

London – Trotz US-Interventionen hat ein iranischer Öltanker nach wochenlanger Festsetzung die Hoheitsgewässer Gibraltars verlassen können. Das Schiff nahm in der Nacht zum Montag Kurs auf Griechenland, nachdem die Regierung des britischen Überseegebiets an der Südspitze der iberischen Halbinsel es abgelehnt hatte, der Anordnung eines US-Bundesgerichts auf Beschlagnahmung nachzukommen.

Der Supertanker war seit dem 4. Juli wegen des Verdachts auf Bruch von EU-Sanktionen gegen das Bürgerkriegsland Syrien vor Gibraltar festgehalten worden. Am Donnerstag entschied ein Gericht, dass die Voraussetzungen dafür nicht mehr vorliegen. Das Schiff wurde inzwischen von «Grace 1» zu «Adrian Darya-1» umbenannt und fährt nun auch offiziell unter iranischer Flagge.

Irans Aussenminister Mohammed Dschawad Sarif begrüsste die Freigabe des Tankers. «Wir sind froh, dass diese Tortur beendet ist», sagte er während eines Besuchs in Finnland. «Wir waren immer der Meinung, dass die Festsetzung des Tankers (…) illegal war.»

Hoffnung auf Deeskalation
Mit der Freigabe des Tanker wächst die Hoffnung auf eine Deeskalation in einem seit Wochen schwelenden Streit – zumindest zwischen London und Teheran. Washington hatte bis zuletzt versucht, den Tanker am Auslaufen zu hindern. Ein US-Bundesgericht wollte das Schiff beschlagnahmen lassen. Das wies die Regierung in Gibraltar aber am Sonntag zurück: Die Verfügung eines Bundesgerichts in Washington sei «untrennbar» mit den Sanktionen der USA gegen den Iran verbunden, die aber mit denen der Europäischen Union nicht vergleichbar seien.

«Maximalem Druck» widerstanden
Das US-Justizministerium hatte das Beschlagnahme-Ersuchen in einer Mitteilung mit mutmasslichen Verstössen gegen US-Sanktionen, Geldwäschegesetze und Terrorismusstatuten begründet. Das US-Gericht hatte auch die Beschlagnahmung des Öls an Bord des Tankers und von knapp einer Million Dollar Bankvermögen einer Briefkastenfirma verfügt, die Verbindungen zu dem Schiff haben soll.

Dass die Regierung in Gibraltar dem Drängen aus den USA nicht nachgab, wird als Zeichen gewertet, dass London nicht bereit ist, die US-Strategie des «maximalen Drucks» auf Teheran zu übernehmen. Und das, obwohl Grossbritannien im Falle eines möglichen chaotischen EU-Austritts am 31. Oktober auf den raschen Abschluss eines Freihandelsabkommens mit Washington hofft.

Kein Öl für Syrien
Der Regierung in Gibraltar zufolge hat der Iran zugesichert, das Öl nicht nach Syrien zu liefern. Teheran gab an, die Ladung sei ohnehin nie für das Bürgerkriegsland bestimmt gewesen und bezeichnete die Festsetzung als illegal. An die Sanktionen der EU sei der Iran abgesehen davon aber auch nicht gebunden. Das Aussenministerium in London warnte Teheran jedoch davor, die Abmachung zu brechen. «Wir werden nicht zusehen, wie der Iran oder sonst jemand elementare EU-Sanktionen gegen ein Regime bricht, das chemische Waffen gegen sein eigenes Volk eingesetzt hat», hiess es in einer Mitteilung am Montag.

Trotz der Drohungen dürfte sich London nun Hoffnungen auf eine baldige Freigabe des britischen Tankers «Stena Impero» machen, der am 19. August in der Strasse von Hormus von den iranischen Revolutionsgarden festgesetzt wurde. Einen Zusammenhang zwischen den beiden Fällen wiesen jedoch beide Seiten vehement zurück.

Austausch möglich
«Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun», sagt Aussenamtssprecher Abbas Mussawi. Das iranische Schiff sei illegal festgesetzt worden, das britische habe jedoch gegen maritime Vorschriften im Persischen Golf verstossen. Daher werde erst ein Gericht darüber entscheiden, ob und wann das britische Schiff freigelassen wird, so der Sprecher.

Beobachter in Teheran glauben jedoch, dass es letztendlich zu dem von Präsident Hassan Ruhani schon am Anfang der Krise vorgeschlagenen Austausch kommen wird: die «Adrian Darya-1» für die «Stena Impero». Nur werde Teheran voraussichtlich solange warten, bis das eigene Schiff auch wieder sicher im Land ist, so die Beobachter.

Im Iran wurde die Freisetzung des Supertankers als grosser diplomatischer Sieg gefeiert. Nicht nur gegenüber London, sondern vor allem gegenüber dem Erzfeind USA und Präsident Donald Trump. Ohnehin vermutet Teheran, dass Washington hinter der Festsetzung steckte. Besonders freute sich die iranische Führung über die Ablehnung der amerikanischen Forderung, den Tanker weiterhin festzuhalten.

Neben dem diplomatischen gibt es jedoch auch einen militärischen Aspekt. Die iranischen Revolutionsgarden haben mit dem Stopp des britischen Tankers gezeigt, dass sie im Persischen Golf und in der Strasse von Hormus das Sagen haben. Zudem konnten sie genau das umsetzen, womit Präsident Ruhani schon mehrmals gedroht hatte: «Falls eines Tages die USA wirklich den iranischen Ölexport blockieren sollten, dann wird überhaupt kein Öl mehr am Persischen Golf exportiert.» (awp/mc/pg)

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