Syriens Präsident Baschar al-Assad.
Damaskus – Mit seinen 46 Lebensjahren gehört der syrische Präsident Baschar al-Assad zur jungen Generation der arabischen Herrscher. Doch die Waffen, die er benutzt, um die Kritiker seines Regimes mundtot zu machen, stammen aus der gleichen Waffenkammer, aus der sich schon sein Vater und Amtsvorgänger Hafis al-Assad bedient hat: Plumpe Propaganda, Diffamierung politischer Gegner, Massenverhaftungen, Folter und militärische Gewalt gegen das eigene Volk.
Doch die gefährlichen Waffen von einst sind rostig und stumpf geworden. 1982 gab Hafis al-Assad seinem Bruder Rifaat den Auftrag, sunnitische Islamisten, die seinen Machtanspruch infrage stellten, zu bekämpfen. Drei Wochen dauerte das Massaker in der Stadt Hama, weit über 10.000 Menschen kamen ums Leben. Danach wagte viele Jahre lang kein Oppositioneller mehr, den Mund aufzumachen. Die Führung der Muslimbruderschaft floh ins Exil. Auch diesmal soll ein Bruder des Präsidenten den Machterhalt der Führungsklasse sichern, die von der religiösen Minderheit der Alawiten dominiert wird – Baschars jüngerer Bruder Maher, der Kommandeur der 4. Division der Republikanischen Garde. Und heute wie damals sind die sunnitischen Muslimbrüder aufseiten der Protestierenden an vorderster Front dabei.
Leben in Freiheit und Würde verwehrt
Doch die Zeiten haben sich geändert. Zusammen mit den Muslimbrüdern protestieren heute auch die Linken, die Liberalen und die Unpolitischen gegen das Regime, das ihnen einen Leben in Freiheit und Würde verwehrt. Ausserdem sieht dieses Mal die ganze Welt zu, wenn in Syrien geschossen und gestorben wird. «Das ist eine Division, die für den Krieg gegen andere Staaten ausgebildet und ausgerüstet wurde, nicht für den Kampf gegen wehrlose Zivilisten», schreit ein Anrufer aus Daraa ins Telefon, nachdem die Sondereinheit von Maher al-Assad in seine Stadt eingedrungen ist. Seinen Hilferuf verbreitet der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira sofort. Im Internet veröffentlichen Aktivisten aus Daraa gleichzeitig verwackelte Videos von Soldaten und Leichen in den Strassen ihrer Stadt, die sie heimlich mit dem Handy aufgenommen haben.
Empörung wächst
Die Empörung in Syrien und im Ausland wächst. Westliche Staaten drohen mit Sanktionen. Die ersten syrischen Funktionäre sagen sich von Assad los. Oppositionelle berichten von vereinzelten Scharmützeln zwischen Angehörigen der Division von Maher al-Assad und Soldaten der regulären Armee. Über Youtube verkündet derweil ein Funktionär der Arabisch Sozialistischen Baath-Partei seinen Rücktritt. «Ich heisse Mohammed Seidija und bin der Sekretär der Baath-Partei in der Ukraine, ich erkläre hiermit meinen Rücktritt», sagt der konservativ gekleidete Mann und begründet seine Entscheidung damit, dass das Regime «auf Gewalt setzt und nicht auf Dialog und echte Reformen». Zwei Parlamentarier aus Daraa hatten bereits am vergangenen Wochenende ihr Mandat niedergelegt.
Erste Parallelen zu Libyen
Schon sehen Regimegegner und Fachleute die ersten Parallelen zu Libyen: Erst schiesst man auf Demonstranten, dann werden die Proteste zum Flächenbrand, es folgen Sanktionen und Strassenkämpfe. «Assad macht den Gaddafi, er schiesst auf sein Volk», heisst es in einem der Internet-Foren der syrischen Opposition. Doch noch ist nicht klar, wie viele Angehörige der Sicherheitskräfte mit den Demonstranten sympathisieren. Und davon hängt ab, wie lange der junge Dr. Baschar sich halten und noch den Ritter im Kampf gegen die israelische Besatzungsmacht spielen kann. Auch die Frage, ob Israel von einem Umsturz in Syrien profitieren würde, ist in Fachkreisen noch umstritten. Denn Präsident Assad und seine Partei haben ihre Gegnerschaft zum Staat Israel, der die syrischen Golanhöhen besetzt hält, zwar über viele Jahre erfolgreich zur Legitimation der eigenen Herrschaft benutzt. Doch die Gegner Assads haben sicher nicht mehr Sympathien für den jüdischen Nachbarstaat. Einer ihrer Slogans lautet: «Assad, du Feigling, richte die Mündungen deiner Waffen auf den Golan und nicht gegen dein Volk.» (awp/mc/ps)
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