T. Rowe Price: Euroland vs USA – die Aufholjagd beginnt
Baltimore / Zürich – Geht die Outperformance der US-Wirtschaft gegenüber dem Euroraum zu Ende? Es gibt Anzeichen dafür. Mehrere Surprise-Indizes, die Datenüberraschungen im Vergleich zu den Prognosen messen, sehen die USA erstmals seit Jahresbeginn wieder schlechter als die Eurozone – was eine schwächere Konsensprognose für die US-Wirtschaft als für Europa bedeutet. Andere Überraschungsindizes haben sich noch nicht zugunsten der Eurozone verschoben, zeigen aber, dass sich der Abstand verringert. Sollte sich dies fortsetzen, könnte dies erhebliche Auswirkungen auf den US-Dollar und die Renditen der Bundesanleihen nach sich ziehen.
Surprise-Indizes spiegeln die Wirtschaftsleistung im Verhältnis zu den Erwartungen wider – mit anderen Worten: die Differenz zwischen dem, was Wirtschaftsdaten zeigen und dem, was Ökonomen erwartet haben. Das starke Wachstum der Eurozone im vergangenen Jahr veranlasste die Volkswirte, ihre Erwartungen zu erhöhen. Als sich das Wachstum ab Februar dieses Jahres verlangsamte, brach die am Überraschungsindex gemessene Bewertung des europäischen Währungsblocks zusammen. Gleichzeitig sorgten Steuersenkungen und fiskalische Impulse in den USA dafür, dass die Wachstumserwartungen übertroffen wurden und liessen den Überraschungsindex steigen. Jetzt nähern sich die Daten beider Regionen einander an: Die Eurozone liefert ein stabileres Wachstum, während sich die US-Daten zunehmend abschwächen.
Eingetrübte Aussichten in den USA
Die Verlangsamung des Wachstums im Euroraum zu Beginn dieses Jahres hatte mehrere Gründe, darunter den stärkeren Euro, das Wetter und die rückläufigen Ausgaben der deutschen Regierung. Zwischenzeitlich hat sich all dies umgekehrt. Gleichzeitig wirkte sich der Handels-Kreuzzug von Präsident Trump auch auf die Stimmung der europäischen Exporteure aus, obwohl es wahrscheinlich noch zu früh ist, um einen grossen Einfluss auf die tatsächliche Produktion und die Investitionen auszuüben. Die wahren Konsequenzen der Handelspolitik von Trump werden sich wahrscheinlich erst später bemerkbar machen – aber ob sie Europa oder den USA mehr schaden, hängt von der Reaktion der anderen Länder ab.
Die jüngste Enttäuschung über die US-Daten ist schwieriger zu erklären, Kapazitätsengpässe sind wahrscheinlich ein wichtiger Faktor. Der jüngste Bericht des US-Einkaufsmanagerindex nennt die Schwierigkeiten der US-Unternehmen, das rasante Wachstum des Auftragseingangs in der ersten Jahreshälfte aufrechtzuerhalten – was angesichts der Tatsache, dass sich der Zyklus seinem Ende zuneigt und die Arbeitslosigkeit niedrig ist, nicht überrascht. Der Wohnungsmarkt wurde ebenfalls etwas schwächer als erwartet, was zum Teil auf die Verschlechterung der Finanzierung, aber auch auf ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage zurückzuführen ist.
Was können wir angesichts all dessen von den Zentralbanken erwarten? Die Europäische Zentralbank (EZB) hat bereits verlauten lassen, dass sie die Zinsen erst im September oder Oktober nächsten Jahres anheben wird – und obwohl sich das Wachstum der Eurozone in einem robusten Tempo stabilisiert hat (rund 1,6% gegenüber dem Vorjahr), ist es nicht stark genug, eine Abweichung der EZB von ihrem Plan zu untermauern. Gleichwohl nähren die eingetrübten Aussichten für die USA Zweifel, wie lange die Fed ihre Zinsen weiter anheben kann. Diese Auffassung wird vom Zinsmarkt unterstützt, der nach dem Septembertreffen nur noch zwei weitere Zinssteigerungen im Dezember und März einpreist.
Bundesanleihen untergewichten
Es gibt jedoch einen interessanten Unterschied zwischen den Zins- und den Devisenmärkten. Der Dollar hat seinen Leidensweg noch vor sich – was bedeutet, dass die Devisenmärkte immer noch an die Geschichte einer «starken US-Wirtschaft und eines schwachen Restes der Welt» glauben. Da sich der US-Dollar in der Regel mit Veränderungen der kurzfristigen Forward-Zinsdifferenzen bewegt – und wir glauben, dass die Fed ihre Leitzinsen irgendwann im nächsten Jahr nicht mehr erhöhen, während die EZB damit beginnen wird – sollte dies letztendlich dazu führen, dass der Dollar gegenüber dem Euro schwächer wird.
Das starke Wachstum der Eurozone im vergangenen Jahr veranlasste die Ökonomen, ihre Erwartungen zu erhöhen. Daher brach die am Surprise-Index gemessene Bewertung des europäischen Währungsblocks zusammen, als sich das Wachstum ab Februar dieses Jahres verlangsamte. Gleichzeitig übertraf das Wachstum in den USA, dank Steuersenkungen und fiskalischer Impulse, die Erwartungen und trieb den Überraschungsindex nach oben.
Auch die Renditen der Bundesanleihen könnten steigen, wenn sich der ökonomische Überraschungsindex der Eurozone weiter verbessert. Unsere Analyse zeigt, dass die Wahrscheinlichkeit eines Anstiegs der Bundrenditen deutlich steigt, wenn die Überraschungsindizes vom negativen in den positiven Bereich wechseln. Derzeit preisen die Forward Rates am Geldmarkt ein, dass die EZB die Zinsen in den nächsten fünf Jahren kumulativ nur um etwa 100 Basispunkte anheben wird – was jedoch mit der Stabilisierung des Wachstums des Bruttoinlandsprodukts über dem Potenzialwachstum unvereinbar erscheint. Selbst ein nur gemässigter Anstieg der Zinsen würde dazu führen, dass die Renditen der Bundesanleihen um rund 25 Basispunkte steigen. Dies veranlasst uns dazu, Bunds unterzugewichten – trotz unzähliger geopolitischen Sorgen und Problemen in den Schwellenländern. (T. Rowe Price/mc/ps)