Menlo Park – Ex-Präsident Donald Trump bleibt bei Facebook gesperrt – bekommt aber noch eine Chance, auf die Plattform zurückzukehren. Facebooks unabhängiges Aufsichtsgremium wies das Online-Netzwerk an, den Fall binnen sechs Monaten noch einmal zu prüfen.
Das Gremium mit dem Namen Oversight Board befand am Mittwoch, dass die Sperrung des damaligen Staatschefs «bis auf Weiteres» kein angemessener Schritt gewesen sei. Dafür gebe es in den Richtlinien nämlich keine Kriterien, heisst es. Facebook solle den Sachverhalt noch einmal auf den Prüfstand stellen – und eine angemessene Strafe festlegen, gemäss den Regeln, die auch für andere Nutzer der Plattform gelten. Bei dem Online-Netzwerk sind als Strafmassnahmen die Löschung einzelner Inhalte, zeitweise Sperrungen oder die dauerhafte Verbannung vorgesehen.
Facebooks «Oberstes Gericht»
Das Gremium besteht aus Rechtsexperten, Aktivisten und ehemaligen Politikern und ist eine Art «Oberstes Gericht» von Facebook, dessen Beschlüsse auch Gründer und Chef Mark Zuckerberg nicht überstimmen kann. Trump spannt inzwischen seine Anhänger ein, um seine Ansichten bei den grossen Online-Diensten zu verbreiten.
Nach Sturm aufs Kapitol gesperrt
Facebook, Twitter und Youtube hatten Trump im Januar kurz vor dem Ende seiner Amtszeit gesperrt. Auslöser war die Erstürmung des US-Kapitols durch seine Anhänger – und dass er Sympathie für die Angreifer bekundete. Ausserdem behauptete er wochenlang ohne jegliche Belege, dass ihm der Sieg bei der Präsidentenwahl im November durch Betrug gestohlen worden sei. Er heizte damit die Spannungen an. Seine Behauptungen zur Wahl hat Trump bis heute nicht zurückgenommen.
Twitter betonte bereits, dass es für Trump keinen direkten Weg zurück auf die Plattform gebe. Googles Videoplattform Youtube will hingegen sein Profil entsperren, wenn «das Risiko von Gewalt gesunken ist».
Nach der Verbannung von den Online-Diensten war Trump in den vergangenen Monaten darauf angewiesen, Stellungnahmen per E-Mail zu verschicken. Davor war der Twitter-Account mit mehr als 80 Millionen Abonnenten sein mit Abstand wichtigster Kommunikationskanal. Trump ist nach wie vor bei vielen Wählern der Republikaner beliebt – und das sichert ihm weiterhin erheblichen Einfluss in der Partei. Zugleich sanken seine Möglichkeiten, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, mit den Sperren bei den Online-Diensten drastisch.
Trumps neuer Kommunikationskanal eine Präsenz zweiter Klasse
Schon am Tag vor der Facebook-Entscheidung traf Trump Vorkehrungen, um seine Ansichten doch noch zu Twitter und Facebook zu bringen. Er startete einen Blog-Bereich auf seiner Website – aus dem die einzelnen Beiträge auch bei den beiden Diensten geteilt werden können.
Ein Twitter-Sprecher sagte am Mittwoch, es sei grundsätzlich erlaubt, Inhalte von einer Website zu teilen, solange sie nicht gegen die Richtlinien der Plattform verstiessen. Zugleich verwies er aber auch auf Twitters Regeln gegen das Aushebeln einer Sperrung. So sei es verboten, einen gesperrten Account zu imitieren oder dass jemand ein Profil für eine gesperrte Person betreibt. Twitter werde bei solchen Verstössen handeln. Damit bliebe es für Trump bei einer Präsenz zweiter Klasse – weil seine Ideen zwar über Profile seiner Anhänger im Umlauf wären, aber man ihm weiterhin nicht direkt folgen könnte. Von Facebook gab es zunächst keinen Kommentar zum Teilen von Trump-Beiträgen.
Der am Dienstag gestartete Blog-Bereich mit dem Titel «Vom Schreibtisch von Donald J. Trump» erinnert äusserlich an Twitter – wo es aber nur Beiträge von Trump gibt. Seine Anhänger können auch einzelne Beiträge wie bei Twitter mit einem «Like»-Herz versehen – und sich auch über neue Posts benachrichtigen lassen. Die Möglichkeit, Trumps Beiträge zu kommentieren, gibt es aber nicht. (awp/mc/pg)