Atlanta / Washington – Weitere schwerwiegende Vorwürfe gegen Donald Trump: Im US-Bundesstaat Georgia ist der frühere Präsident mit einer neuen umfangreichen Anklage im Zusammenhang mit versuchtem Wahlbetrug konfrontiert. Ein Geschworenengremium entschied in Atlanta, dass sich Trump vor Gericht verantworten soll wegen seiner Versuche, den Ausgang der Präsidentenwahl 2020 in Georgia zu beeinflussen. Das geht aus der fast 100-seitigen Anklageschrift hervor, die in der Nacht zu Dienstag (Ortszeit) veröffentlicht wurde. Neben Trump sind 18 weitere Personen angeklagt – darunter sein ehemaliger Anwalt Rudy Giuliani und Mark Meadows, sein früherer Stabschef im Weissen Haus.
Zuvor war Trump bereits auf Bundesebene wegen seines Feldzuges gegen die eigene Niederlage bei der Wahl 2020 angeklagt worden. Für ihn ist es nun insgesamt bereits die vierte Anklage. Dass ein Ex-Präsident wegen einer Straftat vor Gericht kommt, hat es in der Geschichte der USA vor Trump noch nie gegeben. Der Republikaner, der bei der Präsidentenwahl 2024 erneut antreten will, weist alle Vorwürfe zurück und wertet jede Strafverfolgung gegen ihn als Versuch seiner Gegner, ihn an einem Wiedereinzug ins Weisse Haus zu hindern. Trumps Wahlkampfteam sprach auch diesmal kurz vor der Veröffentlichung der Anklage in Georgia von einem rein politischen Manöver.
Die neue Anklageschrift
Trump werden dort nun acht Anklagepunkte in 13 Fällen zur Last gelegt. Darunter ist ein Tatbestand, der üblicherweise bei Fällen organisierter Kriminalität oder Mafia-Prozessen zum Einsatz kommt. Mit dem sogenannten Rico-Gesetz ist es der Anklage US-Medien zufolge auch möglich, den Verantwortlichen einer Organisation für Verbrechen seiner Mitverschwörer zu belangen. Es drohen lange Haftstrafen.
Im Detail wird Trump und Komplizen vorgeworfen, öffentliche Amtsträger gedrängt zu haben, ihren Amtseid zu verletzen. Dem Republikaner werden ausserdem Falschaussagen und die Einreichung falscher Unterlagen vorgeworfen. Insgesamt listet die Anklageschrift 19 Anklagepunkte in 41 Fällen gegen die 19 Beschuldigten. Erwähnt werden auch weitere Personen, die sich an dem Komplott beteiligt haben sollen. Die zuständige Staatsanwältin Fanni Willis sagte, alle ihre Bemühungen hätten das «illegale Ziel» gehabt, Trump zu helfen, eine weitere Amtszeit als Präsident an sich zu reissen.
Der frühere Präsident und die weiteren Angeklagten hätten sich «wissentlich und vorsätzlich an einer Verschwörung zur rechtswidrigen Änderung des Wahlergebnisses zugunsten von Trump» beteiligt, heisst es in der Anklageschrift. Diese arbeitet ausführlich heraus, wie die Angeklagten in Verbindung zueinander standen. Dies ist wichtig mit Blick auf jenen Straftatbestand, der in der Regel in Fällen mafiöser Machenschaften und organisierter Kriminalität angewandt wird.
Der Feldzug gegen den Wahlausgang
Trump hatte die Präsidentenwahl 2020 gegen den Demokraten Joe Biden verloren. Er weigert sich aber bis heute, seine Niederlage einzugestehen. Der 77-Jährige behauptet stattdessen unbeirrt, er sei durch massiven Wahlbetrug um einen Sieg gebracht worden. Weder Trump noch seine Anwälte haben Beweise für diese Behauptungen vorgelegt. Dutzende Klagen des Trump-Lagers wurden nach der Wahl von Gerichten abgeschmettert, auch vom obersten US-Gericht. Trumps Kampagne gegen den Wahlausgang gipfelte am 6. Januar 2021 in einem Sturm seiner Anhänger auf das Kapitol in Washington. Der Mob versuchte mit dem Gewaltausbruch, die formale Bestätigung von Bidens Wahlsieg im Parlament zu verhindern. Mehrere Menschen kamen damals ums Leben.
Georgia hatte zu den Bundesstaaten gehört, die für den Wahlausgang 2020 eine Schlüsselrolle spielten. Biden gewann in dem Bundesstaat damals nur ganz knapp mit etwa 12 000 Stimmen Vorsprung. Trump bemühte sich, seine Wahlniederlage dort – wie auch in anderen Bundesstaaten – nachträglich noch ändern zu lassen. Unter anderem rief Trump damals in einem einstündigen Telefonat den obersten Wahlaufseher Georgias, seinen republikanischen Parteikollegen Brad Raffensperger, unverblümt dazu auf, genügend Stimmen für ihn «zu finden», um das Ergebnis «nachzuberechnen» und zu drehen. «Ich will nur 11 780 Stimmen finden (…), weil wir den Bundesstaat gewonnen haben», sagte Trump in dem berüchtigten Telefongespräch, von dem später ein Mitschnitt an die Öffentlichkeit gelangte.
Die Serie an Prozessen für Trump
Wegen dieser und anderer Einflussversuche, die publik wurden, hatte Staatsanwältin Willis in Fulton County in Georgia 2021 Ermittlungen eingeleitet. Willis sagte in der Nacht zu Dienstag, alle Angeklagten hätten bis zum 25. August Zeit, vor Gericht zu erscheinen, um sich den Vorwürfen zu stellen. Sie strebe einen Prozessbeginn innerhalb der nächsten sechs Monate an. Der Zeitplan liege jedoch im Ermessen des Richters. Beobachtern zufolge gilt es als unwahrscheinlich, dass das Gerichtsverfahren so schnell beginnen könnte.
Trump wird aber so in den kommenden Monaten – mitten im Wahlkampf – gleich vier Prozesse zu bestreiten haben. In den vergangenen Monaten war bereits in drei anderen Fällen in New York, Miami und Washington Anklage gegen den Republikaner erhoben worden. Der New Yorker Fall steht im Zusammenhang mit Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar. Der Fall in Miami dreht sich um die Aufbewahrung von streng geheimen Regierungsunterlagen in Trumps Privatanwesen. In Washington wiederum geht es ebenfalls um die Wahl 2020 – um versuchten Wahlbetrug und den Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021. In dem Fall in Washington wird Trump unter anderem Verschwörung gegen die USA zur Last gelegt.
Keiner dieser Fälle und keine mögliche Verurteilung schliesst aus, dass Trump 2024 als Präsidentschaftskandidat antritt oder Präsident wird. Der Fall in Georgia wird aber nicht auf Bundes-, sondern auf Bundesstaaten-Ebene verhandelt, damit könnte er sich bei einer Verurteilung auch im Falle eines Wahlsiegs nicht selbst begnadigen. In den Fällen nach Bundesrecht könnte dies möglich sein.
Auch mit einem Sieg in Georgia hätte Trump die Wahl 2020 zwar nicht gewonnen. Allerdings bemühte er sich damals zeitgleich in mehreren Bundesstaaten darum, die dortigen Ergebnisse zu kippen – und so in Summe genügend Stimmen für den Einzug ins Weisse Haus zu sammeln. (awp/mc/ps)