Washington – Im Richtungsstreit der Republikaner ist die Trump-Kritikerin Liz Cheney auf Druck des früheren US-Präsidenten aus der Fraktionsführung im US-Repräsentantenhaus gedrängt worden. Eine Mehrheit der republikanischen Abgeordneten stimmte am Mittwoch dafür, Cheney von dem Führungsposten zu entfernen. Cheney kündigte nach ihrer Abwahl an, ihren Kampf gegen Donald Trump fortzuführen. Cheney hatte dessen anhaltende Behauptungen über Wahlbetrug als «gefährliche Lügen» gebrandmarkt und ihre Partei vor dem Ex-Präsidenten gewarnt. Als Vorsitzende der Republikanischen Konferenz im Repräsentantenhaus war sie die dritthöchste Abgeordnete ihrer Fraktion.
Über Cheneys Nachfolge wurde zunächst nicht entschieden. Als Favoritin gilt die loyale Trump-Anhängerin Elise Stefanik. Nachdem Trump sich hinter Stefanik gestellt hatte, hatte auch Fraktionschef Kevin McCarthy der 36-Jährigen seine Unterstützung zugesagt. Cheney (54) behält ihr Abgeordnetenmandat. Trump teilte nach der Abstimmung mit: «Liz Cheney ist ein verbitterter, furchtbarer Mensch.» Der Ex-Präsident forderte seit Monaten die Ablösung Cheneys aus der Fraktionsführung. Die Abgeordnete ist die Tochter des früheren US-Vizepräsidenten Dick Cheney.
Cheney will Trump vom Oval Office fernhalten
Nach ihrer Abwahl sagte Cheney, die Tochter des ehemaligen Vizepräsidenten und Verteidigungsministers Dick Cheney, Amerika brauche eine starke Republikanische Partei, die auf fundamentalen konservativen Prinzipien aufbaue und der Wahrheit verpflichtet sei. «Ich plane, diesen Kampf anzuführen», sagte sie. «Ich werde alles unternehmen, um sicherzustellen, dass der ehemalige Präsident nie wieder auch nur in die Nähe des Oval Office kommt.» Trump hat bislang offen gelassen, ob er 2024 erneut für das Präsidentenamt kandidieren will.
In einer kämpferischen Rede am Dienstagabend im Kongress betonte Cheney, sie werde nicht schweigend zusehen, wie sich ihre Partei «dem Kreuzzug des ehemaligen Präsidenten anschliesst, um unsere Demokratie zu untergraben». Dutzende Gerichte hätten Trumps Behauptung entkräftet, dass er durch Betrug um seine Wiederwahl gebracht worden sei. «Diejenigen, die sich weigern, die Urteile unserer Gerichte zu akzeptieren, stehen auf Kriegsfuss mit der Verfassung.»
Cheney sagte: «Heute stehen wir einer Bedrohung gegenüber, wie sie Amerika noch nie gesehen hat.» Trump habe mit seinen haltlosen Behauptungen den Sturm auf das Kapitol am 6. Januar provoziert. Der Ex-Präsident habe nun «seine aggressiven Bemühungen wieder aufgenommen, die Amerikaner zu überzeugen, dass ihm die Wahl gestohlen wurde. Er riskiert, weitere Gewalt zu provozieren.» Sie betonte: «Zu schweigen und die Lüge zu ignorieren, ermutigt den Lügner. Daran werde ich mich nicht beteiligen.»
Cheney hat von den Republikanern wiederholt einen Bruch mit Trump gefordert. In einem Gastbeitrag für die «Washington Post» am vergangenen Mittwoch hatte sie an ihre Parteikollegen appelliert, sich «von dem gefährlichen und antidemokratischen Trump-Personenkult» abzuwenden. Trump greift seinerseits Cheney seit Monaten an. Vergangene Woche schrieb der frühere US-Präsident in seinem Blog: «Liz Cheney ist eine kriegshetzerische Närrin, die in der republikanischen Parteiführung nichts zu suchen hat.»
Cheney stimmte für Amtsenthebungsverfahren
Cheney gehört zu zehn Republikanern, die nach dem Sturm aufs Kapitol im Januar für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump wegen «Anstiftung zum Aufruhr» stimmten. Die für eine Verurteilung Trumps notwendige Mehrheit im Senat kam nicht zustande. Seit der Niederlage Trumps gegen seinen demokratischen Herausforderer Joe Biden bei der Wahl im November tobt ein Richtungsstreit in der Republikanischen Partei. Trump hat seine Niederlage bis heute nicht anerkannt. Sein Lager scheiterte mit Dutzenden Klagen gegen die Wahlergebnisse.
McCarthy hatte am Montag in einem von US-Medien veröffentlichten Brief an seine Fraktionskollegen eine Abstimmung über Cheneys Ablösung in der Fraktionsführung angekündigt. Darin forderte er, den Fokus der Arbeit nicht auf die Vergangenheit zu richten, sondern auf die Rückeroberung der Mehrheit im Repräsentantenhaus. Wenn die Republikaner die Demokraten daran hindern wollten, die USA zu «zerstören», müssten interne Konflikte der Fraktion gelöst werden, schrieb McCarthy. Es sei daher an der Zeit für eine Änderung. (awp/mc/pg)