Washington – US-Präsident Donald Trump hat die Amerikaner auf die Wiedereröffnung des Landes eingestimmt – Sorgen vor einer erneuten Zuspitzung der Corona-Krise zum Trotz. «Es ist ein grosser Moment in unserer Geschichte, weil wir unser Land wieder öffnen», verkündete Trump in einer auf Twitter veröffentlichten Video-Botschaft. «Die Leute wollen, dass sich unser Land öffnet.» Er versprach: «Wir wollen es auf sichere Weise machen.» Offenbar gibt es aber Unstimmigkeiten darüber, wie das geschehen soll.
Die «New York Times» berichtete, das Weisse Haus und andere Regierungsbeamte hätten einem Entwurf eines Richtlinien-Katalogs der Gesundheitsbehörde CDC für Schulen, Restaurants, Kirchen und anderen Einrichtungen, die im Zuge der Krise schliessen mussten, eine Absage erteilt. Es bestünde die Sorge, dass die Empfehlungen einen zu starken Vorschriftscharakter hätten, religiöse Rechte verletzten und der Wirtschaft weiter schaden könnten, berichtete die Zeitung.
Wut und Verzweiflung
Stellenweise machen sich wegen der Eindämmungsmassnahmen Wut und Verzweiflung bemerkbar. Ein Vorfall im Bundesstaat Oklahoma sorgte für Entsetzen: Weil der Restaurantbereich in einem McDonald’s wegen der Corona-Krise geschlossen war, eröffnete eine Kundin das Feuer auf das Personal. Vier Mitarbeiter des Schnellrestaurants in Oklahoma City, das zurzeit nur Speisen zum Mitnehmen anbietet, seien bei dem Vorfall am Mittwochabend verletzt worden, teilte die Polizei am Donnerstag mit. Die 32-Jährige sei kurz danach festgenommen worden.
Für Aufsehen sorgte auch eine Inhaberin eines Friseursalons in Texas: Shelley Luther war zu sieben Tagen Haft verurteilt worden, weil sie sich weigerte, ihr Geschäft in Dallas trotz entsprechender Anweisungen in der Corona-Pandemie zu schliessen. Der Supreme Court in Texas verfügte am Donnerstag die Freilassung, die Trump begrüsste. Die Frau hatte US-Medienberichten zufolge vor Gericht gesagt, sie werde ihren Salon nicht schliessen, weil sie ihre Kinder ernähren müsse.
Die Krise in Zahlen
Wie viele Menschen von den Auswirkungen der Krise auf die Wirtschaft betroffen sind, macht nicht zuletzt die Lage auf dem Arbeitsmarkt deutlich. Die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe stieg seit Mitte März auf mehr als 33 Millionen. Am Freitag gibt die US-Regierung die Arbeitslosenquote für den Monat April bekannt. Experten zufolge dürfte sie bei mindestens 15 Prozent liegen – ein Berater von Trump hatte sogar gewarnt, die Quote könne 19 oder gar 20 Prozent betragen.
Keine wirkliche Rückkehr zur Normalität
Seit Ende April lockern immer mehr Bundesstaaten die Eindämmungsmassnahmen – einigen geht das zu schnell, anderen zu langsam. In Kalifornien dürfen bisher geschlossene Geschäfte, etwa für Spielzeuge, Bücher, Sportartikel, Kleidung oder Blumen, ihren Betrieb stufenweise wieder aufnehmen und Waren zum Abholen anbieten. Es gelten Abstandsregeln und Hygienevorschriften. «Dies ist keine Rückkehr zur Normalität», betonte der Gouverneur des bevölkerungsreichsten Staates, Gavin Newsom. Restaurants, Friseure, Kinos und Shopping-Malls bleiben weiterhin zu.
Infizierter Mitarbeiter im Weissen Haus
Trump lobte am Donnerstag die Corona-Tests in den USA, die die «besten Tests der Welt» seien. Nicht aus der Ruhe zu bringen schien ihn die Tatsache, dass ein Mitglied des US-Militärs, das auf dem Campus im Weissen Haus arbeitet, positiv auf das Coronavirus getestet wurde. Er habe nur sehr wenig Kontakt mit dem Mitarbeiter gehabt, sagte Trump am Donnerstag im Oval Office. Die Tests im Weissen Haus würden täglich und nicht nur wöchentlich gemacht. Doch selbst dies garantiere nicht, dass eine solche Situation nicht wieder eintrete.
Trumpsche Logik: «Jemand war dumm»
Erneut machte Trump China für den Ausbruch der Coronavirus-Pandemie verantwortlich. Auf die Frage nach seinen Vorwürfen, die Pandemie habe ihren Ursprung in einem Forschungslabor in der chinesischen Stadt Wuhan genommen, erklärte Trump, womöglich sei ein «schrecklicher Fehler» geschehen. «Wahrscheinlich war es Inkompetenz, jemand war dumm», mutmasste er. Immer neue Vorwürfe aus Washington belasten das Verhältnis zwischen China und den USA zusehends. Trump hat bereits mehrfach behauptet, er habe Hinweise, dass das Virus aus jenem Labor in Wuhan stamme. Konkreter wurde er bislang jedoch nicht. Auch US-Aussenminister Mike Pompeo hatte am Wochenende gesagt, es gebe signifikante Belege, dass die Krise in dem Labor ihren Anfang genommen habe. Auf Nachfrage sagte er, er dürfe sich zu Details nicht äussern. China weist die Anschuldigungen vehement zurück. (awp/mc/pg)