Washington – Der ehemalige US-Präsident Donald Trump will erneut ins Weisse Haus einziehen – und einen Streit über seine Teilnahme an den anstehenden Vorwahlen vor dem Obersten Gerichtshof austragen. Wie sein Wahlkampfteam mitteilte, wandte er sich am Mittwoch an den Supreme Court in Washington, um eine Entscheidung im Bundesstaat Colorado zu kippen, wonach er sich für die dortige Vorwahl disqualifiziert habe.
Kläger versuchen derzeit in diversen Bundesstaaten, Trumps Namen auf Grundlage seines Verhaltens am 6. Januar 2021 von Wahlzetteln für die Präsidentschaftsvorwahlen streichen zu lassen. Damals hatten Trumps Anhänger gewaltsam das Kapitol in Washington gestürmt – aufgewiegelt durch eine Rede des frisch abgewählten US-Präsidenten, der ohne Beweise behauptete, ihm sei der Sieg gegen Herausforderer Joe Biden durch massiven Betrug gestohlen worden. Fünf Menschen kamen ums Leben, die Bilder der Krawalle brannten sich ins kollektive Gedächtnis der USA.
Das sagen die Kläger
Wer als Präsidentschaftskandidat für die Republikaner oder die Demokraten antreten will, muss sich zunächst in parteiinternen Vorwahlen durchsetzen. Um Trump von diesen Vorwahl-Rennen zu disqualifizieren, argumentieren seine Gegner mit dem sogenannten Aufstandsverbot im 14. Verfassungszusatz. Demnach darf niemand ein höheres Amt im Staat bekleiden, der sich zuvor als Amtsträger an einem Aufstand gegen den Staat beteiligt hat. Zwar werden in der Passage einige Beispiele für solche höheren Ämter genannt, nicht explizit aufgeführt ist aber das Amt des Präsidenten.
In Bundesstaaten wie Michigan und Minnesota scheiterten die Versuche der Kläger, Trump zu disqualifizieren. In anderen Bundesstaaten stehen Entscheidungen noch aus. In Maine und Colorado fielen indes Beschlüsse gegen Trump. Die beiden Entscheidungen waren in Erwartung von Trumps Einspruch allerdings vorerst ausgesetzt worden. Man ging davon aus, dass die heikle politische Frage am Ende vor dem Obersten Gerichtshof der USA landen dürfte. Am Mittwoch teilte Trumps Wahlkampfteam dann mit, diesen Schritt tatsächlich gegangen zu sein.
Das sagt Trumps Team
Trumps Team will mit dem Antrag an das Oberste US-Gericht die Entscheidung des höchsten Gerichtes in Colorado kippen. Es handele sich um einen «unamerikanischen, verfassungswidrigen Akt der Wahleinmischung», hiess es in der Mitteilung von Mittwoch. Das Gericht hatte im Dezember geurteilt, dass Trump nicht für das Präsidentenamt geeignet sei und daher nicht an der Vorwahl des Bundesstaates teilnehmen könne. Gegen eine ähnliche Entscheidung der obersten Wahlaufseherin in Maine hatte Trump davor ebenfalls Einspruch eingelegt, allerdings zunächst in einer unteren Instanz.
Vor dem Supreme Court argumentieren Trumps Anwälte laut US-Medien nun, das Gericht in Colorado habe seine Befugnisse überschritten – die Frage nach der Tauglichkeit eines Präsidenten sei eine Angelegenheit für den US-Kongress und nicht für staatliche Gerichte. Der Verfassungszusatz, auf den sich die Kläger berufen, sei im Falle Trumps nicht anwendbar. Neben dem Ex-Präsidenten hat auch die Organisation American Center for Law and Justice im Namen der republikanischen Partei in Colorado Berufung gegen die dortige Gerichtsentscheidung eingelegt.
Das sagen Beobachter
Der Supreme Court könnte die Frage theoretisch abweisen. Rechtsexperten rechnen aber damit, dass sich die Richterinnen und Richter der Sache annehmen, um juristisches Chaos im Wahljahr zu vermeiden. Trump hatte während seiner Amtszeit die Mehrheit im Gericht deutlich nach rechts verschoben. Sechs der neun Richterinnen und Richter gelten inzwischen als konservativ. Dennoch entschied das Oberste Gericht nicht immer in seinem Sinne.
«Ich fordere das Gericht auf, diesen Fall so schnell wie möglich zu prüfen», kommentierte die in Colorado für die Durchführung von Wahlen zuständige Ministerin, Jena Griswold, bei X (vormals Twitter). Ähnlich äusserten sich Trump nahe stehende Politiker. «Der Oberste Gerichtshof sollte sich sofort mit diesem Fall befassen und die lächerliche Entscheidung des Gerichts in Colorado aufheben», schrieb etwa der republikanische Senator von Missouri, Josh Hawley, bei X.
Schon jetzt wird der Fall in den USA mit der historischen Verhandlung über die Präsidentschaftswahl 2000 verglichen. Damals ging es um die Frage, ob die Stimmen im entscheidenden Bundesstaat Florida neu ausgezählt werden sollten. Der Supreme Court erklärte die Wahl für beendet und machte damit den Republikaner George W. Bush zum Präsidenten, der Demokrat Al Gore hatte das Nachsehen.
Das sagt die Uhr
Die Zeit drängt. Am 15. Januar beginnen die Vorwahlen der Republikaner mit der ersten Abstimmung im Bundesstaat Iowa. Die republikanischen Vorwahlen in Colorado und Maine stehen am 5. März an, dem sogenannten Super Tuesday, wenn in einer ganzen Reihe von US-Bundesstaaten abgestimmt wird. Die Wahlzettel allerdings werden mit einigem Vorlauf gedruckt.
Trump will im November wieder für die Republikaner antreten, und in Umfragen liegt er im Feld der republikanischen Bewerber bislang mit grossem Abstand vorne. Für die Demokraten will Biden für eine zweite Amtszeit ins Rennen gehen. Er hat dabei keine ernstzunehmende interne Konkurrenz.
Neben der juristischen Auseinandersetzung über seine Teilnahme an den Vorwahlen stehen Trump in den kommenden Monaten auch mehrere grosse Gerichtsverfahren wegen diverser strafrechtlicher Vorwürfe bevor – unter anderem wegen des Kapitol-Sturms und seiner Versuche, den Ausgang der Präsidentenwahl 2020 nachträglich umzukehren. (awp/mc/ps)