Tui will bis zu 8000 Stellen abbauen
Hannover – Der weltgrösste Reisekonzern Tui steht nach starken Verlusten im Winter vor einer extrem schwierigen Sommersaison 2020 und will tausende Jobs abbauen. Wegen der anhaltenden Unsicherheiten durch die Corona-Krise müsse man die Verwaltungskosten beim grössten Reiseanbieter der Welt um 30 Prozent drücken, sagte Vorstandschef Fritz Joussen zur Vorlage der Zahlen für das abgelaufene erste Geschäftshalbjahr in Hannover. «Weltweit wird das Auswirkungen auf rund 8000 Stellen haben, die wir nicht besetzen oder abbauen», kündigte der Manager an.
Joussen hofft, dass der Konzern in den kommenden Monaten möglichst grosse Teile seines im März fast komplett eingestellten Reiseprogramms wieder aufnehmen kann. In welchen Ländern die Kunden ab wann Urlaub machen können, ist aber vielerorts noch unklar. Weltweit gibt es weiterhin Reisebeschränkungen, das Sommerprogramm der Hannoveraner ist derzeit nur zu 35 Prozent ausgebucht. «Die Saison startet später, könnte dafür aber länger dauern», meinte Joussen. Genaueres ist noch schwer zu sagen. Bisher sind bei Tui Deutschland alle Reisen bis zum 14. Juni abgesagt. «Es gibt keine Zusagen, keine Planbarkeit, wann Flugreisen und Schiffsreisen aus Deutschland wieder möglich sind», sagte Joussen am Morgen in einer Telefonkonferenz mit Journalisten.
Kosten sollen um 300 bis 400 Mio Euro gesenkt werden
Der Manager hatte bereits eine Verschärfung des internen Sparkurses angedeutet. Nun werden die Pläne konkret. «Die Tui soll gestärkt aus der Krise hervorgehen», erklärte er. «Aber sie wird eine andere Tui sein und ein anderes Marktumfeld vorfinden als vor der Pandemie.» Das Sparprogramm solle die jährlichen Kosten des Konzerns um 300 bis 400 Millionen Euro oder noch etwas stärker drücken.
Verlust von fast 900 Mio Euro
Von Oktober bis März verbuchte Tui unter dem Strich einen Verlust von 892,2 Millionen Euro und war damit mehr als zweieinhalb Mal so tief in den roten Zahlen wie im Vorjahreszeitraum. Ab März schlug der Effekt der Pandemie voll auf die Tourismusbranche durch. Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern rutschte bei Tui um knapp 175 Prozent auf minus 828,7 Millionen Euro ab. Der Umsatz sank leicht um 0,6 Prozent auf 6,6 Milliarden Euro.
Verluste in dieser Zeit sind in der Branche an sich typisch, die Unternehmen verdienen das meiste Geld im Sommer. Dieser bringt im laufenden Jahr wegen der Viruskrise aber besondere Probleme. Flüge und Kreuzfahrten sind ausgesetzt, viele Länder haben das öffentliche Leben eingeschränkt, die Gastronomie ist ebenfalls schwer getroffen.
Derzeit verliere Tui jeden Monat rund 250 Millionen Euro an Barmitteln, sagte Joussen. Je länger der Reisestopp gelte, desto eher würden auch Kunden ihre Anzahlungen zurückfordern. Der Mittelabfluss könne dadurch noch um 100 bis 200 Millionen Euro steigen. Daher sei es wichtig, dass das Reisegeschäft bald wieder losgehe. Man müsse aber sicherstellen, dass das Reisen für die Menschen sicher sei.
Der neue Hotelbetrieb
Den Hotelbetrieb will Tui mit einem Zehn-Punkte-Plan schrittweise wieder aufnehmen. Dieser sieht zum Schutz vor Infektionen zum Beispiel vor, dass Kunden online einchecken können, Abstandsregeln greifen oder die Kapazitäten von Restaurants und Teilnehmerzahlen von Sport- und Unterhaltungs-Events verringert werden.
Die riesigen Schiffe des Konzerns will Joussen verstärkt für Kurz-Kreuzfahrten auf der Nordsee einsetzen. Dabei lasse man dann nur jeweils 1000 Gäste aufs Schiff, um die Abstände zwischen den Menschen und damit ihre Sicherheit in Zeiten der Coronavirus-Pandemie zu gewährleisten.
Erholung erwartet
Joussen geht trotz der angespannten Lage insgesamt von einer Erholung im Reisegeschäft aus: «Sommerurlaub in Europa kann jetzt schrittweise wieder möglich gemacht werden – verantwortungsvoll und mit klaren Regeln. Angesichts der geringen Infektionszahlen etwa auf Mallorca und in Griechenland sieht der Manager «eigentlich keinen Grund, weshalb man dort nicht hinreisen sollte». Eine genauere Prognose für das restliche Jahr traut sich der Vorstand aber nicht zu. (awp/mc/pg)