Hannover / Berlin – Nach ersten Schlichtungsgesprächen der Gewerkschaft Verdi mit Tuifly rechnet die Fluggesellschaft wieder mit einem fast normalen Flugbetrieb am Sonntag. Aus operationellen Gründen müssten die Samstags-Flüge gestrichen werden. Am Morgen machten ganz schlechte Nachrichten für Tausende Urlauber die Runde: Der Ferienflieger Tuifly kapituliert vor den massenhaften Krankmeldungen bei seinem fliegenden Personal und bleibt am Freitag komplett am Boden. Alle 108 Flüge werden gestrichen, wie der Touristikkonzern Tui mitteilte. Demnach sind rund 9000 Passagiere betroffen. Schon an den Vortagen hatten sich viele Crew-Mitglieder bei Tuifly kurzfristig krank gemeldet und damit den Flugbetrieb eingeschränkt. Betroffen war und ist auch Air Berlin. Dort drohen weitere Ausfälle, denn ein Drittel der Tui-Flotte fliegt samt Besatzung für die Berliner.
«Wir versuchen alles, um die Auswirkungen auf die Gäste so gering wie möglich zu halten», sagte Tuifly-Aufsichtsratschef Henrik Homann der «Bild»-Zeitung (Freitag). «Wir wissen, dass das leider momentan nicht bei allen Kunden gelingt.» Piloten müssten keine Einbussen durch neue Verträge fürchten. «Die Firma bleibt bestehen, die Tuifly behält ihren Sitz in Deutschland, die Tarifverträge bleiben bestehen.» So versuchte Tuifly seine Fluggäste zu beschwichtigen.
Sonntag wieder normaler Flugbetrieb erhofft
Inzwischen geht nach den massiven Ausfällen der vergangenen Tage der Ferienflieger Tuifly wieder von einem weitgehend normalen Flugbetrieb ab Sonntag aus. «Voraussichtlich werden 115 Flüge starten», teilte die Airline am Freitag nach einem Schlichtungsgespräch im niedersächsischen Wirtschaftsministerium mit. Aus operationellen Gründen müsse Tuifly aber am Samstag grosse Teile des Flugprogramms streichen – 118 Flüge seien betroffen. Parallel organisiere Tui Zusatzflüge.
Zuvor hatte der Reisekonzern eingelenkt und war den Forderungen der Arbeitnehmer mit einer mindestens dreijährigen Standort- und Tarifgarantie entgegengekommen. Zudem wurde eine Entscheidung über die geplante Neuordnung nun von Ende September auf Mitte November verschoben, um mehr Zeit für die Suche nach gangbaren Alternativvorschlägen zu geben. Detlef Ahting, Vertreter der Gewerkschaft Verdi bei dem Schlichtungsgespräch, nannte die gefundene Lösung eine gute Grundlage. Die Gespräche der nächsten Wochen müssten nun zeigen, ob sie belastbar sei.
Unmut der Passagiere
Die Auseinandersetzung zwischen Belegschaft und Management bei Tuifly bringt die Fluggäste auf die Barrikaden. Bislang habe man rund 500 Ansprüche auf Ausgleichszahlung verärgerter Kunden auf dem Tisch, sagte der Geschäftsführer des Flugrechteportals Flightright, Philipp Kadelbach, dem in Konstanz erscheinenden «Südkurier» (Freitag). Sollte es weiterhin zu Flugausfällen kommen, rechne man innerhalb kurzer Zeit mit 1500 bis 2000 weiteren Anträgen.
Angst vor Jobverlusten
Vor einer Woche war bekanntgeworden, dass Tuifly in eine neue Dachholding mit Etihad integriert werden soll. Arbeitnehmervertreter befürchten Job-Verluste. Seitdem führen kollektive Krankmeldungen der Besatzungen zu zahlreichen Flugausfällen und massiven Verspätungen. Betroffen war und ist auch Air Berlin. Dort drohen weitere Ausfälle, denn ein Drittel der Tui-Flotte fliegt samt Crew für die Berliner. Niedersachsens Wirtschaftsminister will beim «Runden Tisch» darauf hinwirken, dass die für Ende Oktober geplante Entscheidung über die beabsichtigte Holding auf ein späteres Datum verschoben wird, sagte die Sprecherin. «Das Treffen soll deeskalierend wirken und den Druck aus der Situation herausnehmen; es geht darum, dass die Akteure sich austauschen über ihre Ängste und Nöte.» Tuifly versucht mit gemieteten Maschinen und Crews einen Teil der Flugausfälle aufzufangen. Tuifly hatte am Donnerstagabend zunächst mitgeteilt, den Flugbetrieb Freitag weitgehend einzustellen. 108 Flüge sollten demnach ausfallen; gut 9000 Passagiere seien betroffen.
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sprach von einer inakzeptablen Situation. «Die Airlines müssen ihrer Verantwortung gegenüber den Fluggästen nachkommen», sagte er der «Bild»-Zeitung. Auf Unverständnis stiessen die Tuifly-Turbulenzen auch an deren Heimatbasis Hannover. Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer der niedersächsischen Metallarbeitgeber (NiedersachsenMetall), sprach von einer «Form des versteckten Arbeitskampfes» und meinte: «Hier wird quasi gestreikt.» Krankheit werde offensichtlich instrumentalisiert, um gegen mögliche unternehmerische Beschlüsse zu revoltieren: «Die Krankmeldung als Instrument einzusetzen, um eigene Ziele zu erreichen, untergräbt die Glaubwürdigkeit von Krankmeldungen insgesamt; das schadet jedem, der wirklich erkrankt ist.»
Politik schaltet sich ein
Nach massiven Flugausfällen beim Ferienflieger Tuifly und zum Teil auch seinem Partner Air Berlin schaltete sich die Politik ein. Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) lud alle Beteiligten für Freitagabend zu einem «Runden Tisch» mit Unternehmens- und Belegschaftsvertretern der Tuifly. Mit dabei sein sollen Vertreter der Geschäftsführung, des Aufsichtsrats, des Flughafens, der Gewerkschaft Verdi sowie der Pilotenvereinigung Cockpit, sagte Ministeriumssprecherin Sabine Schlemmer-Kaune.
Die Kritik an der Haltung der Tuifly, betroffene Passagiere mit Hinweis auf höhere Gewalt nicht zu entschädigen, nahm am Freitag zu. «Diese Argumentation ist für uns nicht nachvollziehbar: wir erkennen nicht, warum die Passagiere für Flugausfälle haftbar gemacht werden», sagte die Ministeriumssprecherin, die Tui zu mehr Kulanz riet. Eine Konzern-Sprecherin hatte am Vortag betonte: «Die massenhaften und äusserst kurzfristigen Krankmeldungen sind ein aussergewöhnlicher und nicht vermeidbarer Umstand im Sinne von höherer Gewalt.»
Kritik kam auch vom Tourismusforscher Torsten Kirstges, der den Tuifly-Mutterkonzern Tui vor einem Imageschaden warnte. Mit Blick auf die Entschädigungsfrage sagte er der Deutschen Presse-Agentur: «Da hätte man sich besser bedeckt gehalten.» Er gehe davon aus, dass die Gesellschaft entsprechende Prozesse verlieren werde und dann doppelt am Pranger stehe. Nach seiner Einschätzung liegt die ausreichende Personalausstattung in der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers. Tausende Kunden seien betroffen und zu Recht verärgert: «Sie führen die Unannehmlichkeiten direkt auf die Tui als Veranstalter zurück, weil der ja schliesslich auch seine eigene Fluggesellschaft einsetzt.»
Bisher habe man rund 500 Ansprüche auf Ausgleichszahlung verärgerter Kunden auf dem Tisch, sagte der Geschäftsführer des Flugrechteportals Flightright, Philipp Kadelbach, dem «Südkurier». Sollte es weiter zu Flugausfällen kommen, rechne man innerhalb kurzer Zeit mit 1500 bis 2000 weiteren Anträgen. Mehr Kulanz fordern auch die Reisebüros, die für tausende Urlauber Stornierungen oder Umbuchungen vornehmen müssen, ohne dass der Mehraufwand vergütet wird. Die aktuellen Probleme dürften nicht auf dem Rücken der Reisebüros ausgetragen werden, erklärte der Branchenverband DRV. Mitarbeiter der Büros seien Leidtragende bei der Tuifly-Krise.
«Wir versuchen alles, um die Auswirkungen auf die Gäste so gering wie möglich zu halten», sagte Tuifly-Aufsichtsratschef Henrik Homann der «Bild»-Zeitung (Freitag). «Wir wissen, dass das leider momentan nicht bei allen Kunden gelingt.» Piloten müssten keine Einbussen durch neue Verträge fürchten. «Die Firma bleibt bestehen, die Tuifly behält ihren Sitz in Deutschland, die Tarifverträge bleiben bestehen.»(awp/mc/ps)