Menlo Park – Die Nachwehen des Facebook-Datenskandals haben in diesem Jahr für eine turbulentere Generalversammlung des weltgrössten Online-Netzwerks gesorgt. Eine Frau musste den Saal verlassen, weil sie in Zwischenrufen verlangte, Gründer und Chef Mark Zuckerberg die Wiederwahl in den Verwaltungsrat zu verweigern.
Ein weiterer Aktionär forderte, die Aktien mit mehr Stimmrechten abzuschaffen, die Zuckerberg die Kontrolle über das Unternehmen sichern. Mit den aktuellen Machtverhältnissen drohe Facebook, zu einer «unternehmerischen Diktatur» zu werden, warnte er am Donnerstag.
Es gab auch direkte Kritik am Abfluss von Informationen von Millionen Facebook-Nutzern an die Firma Cambridge Analytica, der den aktuellen Datenskandal ausgelöst hatte. Eine Vertreterin des Investors NorthStar Asset Management sagte, damit seien Menschenrechte verletzt worden. Sie argumentierte, der Datenskandal sei erst möglich geworden, weil sich der Firmenchef einen Verwaltungsrat nach seinem Geschmack zusammenstellen könne. Verwaltungsräte in US-Unternehmen haben noch etwas weitreichendere Befugnisse als die deutschen Aufsichtsräte und bestimmen neben den üblichen Kontrollfunktionen auch die Strategie mit.
Zuckerberg kann Vorschläge kraft seiner Stimmrechte abschmettern
Aktionäre zeigten sich auch besorgt, dass immer neue Kontroversen um Facebook die Nutzer abschrecken und damit das Geschäft des Online-Netzwerks kaputtmachen könnten. Sie forderten unter anderem die Einrichtung eines Gremiums zur Einschätzung von Risiken sowie ausführlichere Berichte über Steuerzahlungen in einzelnen Ländern und über die Schere bei der Bezahlung von Männern und Frauen. Die Vorschläge wurden abgelehnt – wenig überraschend, da Zuckerberg die Mehrheit der Stimmrechte kontrolliert.
Aktien mit mehr Stimmrechten wurden in vielen Technologie-Unternehmen eingeführt, um den fortlaufenden Einfluss der Gründer zu sichern. Zum Beispiel beim Google-Dachkonzern Alphabet geben sie den beiden Mitgründern Larry Page und Sergey Brin massiven Einfluss bei wichtigen Entscheidungen.
Das System wird immer wieder kritisiert, weil es die Gründer der Kontrolle entziehen kann. Zuletzt sorgte der Zusammenbruch des Bluttest-Start-ups Theranos für Aufsehen, bei dem Gründerin Elizabeth Holmes jahrelang Investoren und Regulierer hinters Licht geführt haben soll. Bei der Spielefirma Zynga («Farmville») tauschte Gründer Mark Pincus seine Aktien mit zusätzlichen Stimmrechten Anfang Mai in herkömmliche Anteile um – und gab damit die Kontrolle ab. Das sei im Interesse aller Aktionäre, argumentierte er.
Zuckerberg wiederholte bei seinem Auftritt auf der Hauptversammlung viele Punkte aus den Anhörungen aus dem US-Kongress und dem Europaparlament. Unter anderem räumte er ein, dass Facebook seine Verantwortung nicht ausreichend verstanden habe und sich das jetzt ändere. Die für das operative Geschäft zuständige Top-Managerin Sheryl Sandberg kündigte zugleich an, dass Facebook bei der künftigen Zusammensetzung des Verwaltungsrates stärker unterrepräsentierte Gruppen wie Frauen oder Menschen mit einer anderen Hautfarbe als Weiss beachten werde. Die Führungspositionen auch im Silicon Valley sind oft eine Domäne weisser Männer. (awp/mc/ps)