Washington – Vor einem drohenden Amtsenthebungsverfahren wegen «Anstiftung zum Aufruhr» hat der abgewählte US-Präsident Donald Trump mit einer Twitter-Sperre seine wichtigste Kommunikationsplattform verloren. Der Kurznachrichtendienst teilte am Freitagabend (Ortszeit) mit, Trumps Konto @realDonaldTrump werde dauerhaft gesperrt. Grund sei das «Risiko einer weiteren Anstiftung zur Gewalt» nach dem Sturm des Kapitols in Washington durch Trump-Anhänger. Kritiker werfen dem Republikaner vor, seine Unterstützer angestachelt zu haben. Die Demokraten im Repräsentantenhaus treiben deswegen die Vorbereitungen für ein mögliches Amtsenthebungsverfahren voran.
Trumps Amtszeit endet am 20. Januar mit der Vereidigung des Demokraten Joe Biden. Twitter ist Trumps mit Abstand bedeutendste Kommunikationsplattform gewesen. Über seinen Account @realDonaldTrump hatte er sich teils dutzendfach am Tag direkt an seine mehr als 88 Millionen Follower gewandt. Die Tweets auf dem Konto waren am Freitagabend nicht mehr zugänglich. Twitter führte zur Begründung der neuen Sperre zwei Trump-Tweets vom Freitag an, die in der Kombination aus Sicht des Unternehmens gegen die Richtlinie zum Verbot der Gewaltverherrlichung verstiessen.
Trump schäumt
Trump erhob schwere Vorwürfe gegen Twitter. In einer über Journalisten im Weissen Haus verbreiteten Mitteilung Trumps hiess es: «Twitter-Mitarbeiter haben sich mit den Demokraten und der radikalen Linken bei der Entfernung meines Kontos von ihrer Plattform abgesprochen, um mich zum Schweigen zu bringen – und Euch, die 75 Millionen grossartigen Patrioten, die mich gewählt haben.» Belege für seine Anschuldigung legte er nicht vor. Trump kündigte an, man sei mit mehreren anderen Webseiten in Verhandlung und ziehe auch den Aufbau einer eigenen Plattform in Betracht.
Wegen der Ausschreitungen am Kapitol, die fünf Menschen das Leben kosteten, gerät Trump zunehmend unter Druck. Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, teilte am Freitagabend (Ortszeit) nach einer Online-Konferenz mit ihren demokratischen Fraktionskollegen mit: «Es ist die Hoffnung der Abgeordneten, dass der Präsident sofort zurücktritt.» Für den Fall, dass das nicht geschehe, habe sie den Geschäftsordnungsausschuss angewiesen, Vorbereitungen für ein Amtsenthebungsverfahren zu treffen.
Anklagepiunkt: «Anstiftung zum Aufruhr»
In einem von demokratischen Abgeordneten vorbereiteten Resolutionsentwurf für ein Amtsenthebungsverfahren ist ein einziger Anklagepunkt vorgesehen: «Anstiftung zum Aufruhr». Darin wird Trump beschuldigt, bei einer Kundgebung seine Unterstützer angestachelt zu haben, von denen viele danach das Kapitol stürmten. Der Republikaner habe damit seine Bemühungen fortgesetzt, die Zertifizierung der Ergebnisse der Präsidentenwahl zu behindern.
Mit seinem Verhalten habe Trump gezeigt, «dass er eine Gefahr für die nationale Sicherheit, die Demokratie und die Verfassung bleiben wird, wenn er im Amt bleiben darf», hiess es in dem Entwurf weiter. Trump müsse daher aus dem Amt entfernt werden. Er müsse ausserdem für künftige Regierungsämter gesperrt werden.
Impeachment-Resolution soll noch am Montag eingebracht werden
Die demokratische Kongressabgeordnete Diana DeGette teilte mit, es sei geplant, die Resolution an diesem Montag einzubringen. In dem von den Demokraten beherrschten Repräsentantenhaus gilt eine Zustimmung zur Eröffnung eines Amtsenthebungsverfahrens als sicher. Entschieden würde es allerdings im US-Senat. Dass das Verfahren im Senat vor der Vereidigung Bidens und seiner Vizepräsidentin Kamala Harris am 20. Januar abgeschlossen werden könnte, ist quasi ausgeschlossen.
Der Senat kommt zu seiner nächsten regulären Sitzung erst am 19. Januar zusammen. Aus einem von der «Washington Post» verbreiteten Memorandum des republikanischen Mehrheitsführers im Senat, Mitch McConnell, geht hervor, dass das Verfahren nach den geltenden Regeln frühestens am 20. Januar um 13.00 Uhr beginnen könnte – eine Stunde nach Bidens Vereidigung und Trumps Ausscheiden aus dem Amt.
Amtsenthebungsverfahren könnte neuerliche Kandidatur Trumps verhindern
Die Demokraten im Kongress dürften mit dem Verfahren ein anderes Ziel verfolgen: Sollte Trump im Senat schuldig gesprochen werden, könnte er zusätzlich mit einem Verbot belegt werden, künftig öffentliche Ämter des Bundes zu bekleiden – damit wäre ihm eine etwaige Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl 2024 verwehrt. Für eine Verurteilung müssten aber mindestens 67 der 100 Senatoren stimmen. Für eine solche Zweidrittelmehrheit müssten 17 Republikaner die künftig 50 Demokraten im Senat unterstützen, was derzeit nicht absehbar ist. Sollte das dennoch geschehen, würde eine einfache Mehrheit ausreichen, um Trump künftig von Bundesämtern auszusperren.
Als erste republikanische Senatorin forderte am Freitag Lisa Murkowski Trumps Rücktritt. «Ich will, dass er zurücktritt», sagte Senatorin Lisa Murkowski – eine innerparteiliche Kritikerin Trumps – der Zeitung «Anchorage Daily News» aus ihrem Heimat-Bundesstaat Alaska. «Er hat genug Schaden angerichtet.»
Biden: Entscheid über Amtsenthebung beim Kongress
Biden kündigte an, sich in eine Entscheidung über die Eröffnung eines Amtsenthebungsverfahrens nicht einzuschalten. Der Beschluss liege beim Kongress, sagte er in Wilmington im Bundesstaat Delaware. Seine Aufgabe und die seiner künftigen Regierung sei es, sich mit Dringlichkeit um den Kampf gegen das Coronavirus, um Covid-19-Impfungen und um die wirtschaftliche Entwicklung zu kümmern. Der Demokrat betonte zugleich: «Ich denke seit langem, dass Präsident Trump ungeeignet ist, das Amt zu bekleiden.» Das sei der Grund gewesen, warum er sich entschieden habe, gegen Trump zu kandidieren.
Ein Amtsenthebungsverfahren im Senat könnte Bidens neuer Regierung den Start erheblich erschweren. Das Verfahren würde die Kammer bis zu einem Urteil womöglich über Wochen weitgehend blockieren. Biden ist aber darauf angewiesen, dass die Senatoren seine nominierten Kabinettsmitglieder und zahlreiche hohe Regierungsmitarbeiter im Amt bestätigen. Auch für wichtige Gesetzesvorhaben etwa im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie ist er auf die mächtige Kammer angewiesen.
Nach den Ausschreitungen am Kapitol am Mittwoch hatte Twitter den Account @realDonaldTrump bereits für zwölf Stunden gesperrt, weil Tweets des Präsidenten «wiederholt und schwerwiegend» gegen die Richtlinien der Plattform verstossen hatten. Der Kurznachrichtendienst hatte Trump mit einer dauerhaften Sperre gedroht, sollte er weiterhin gegen die Twitter-Regeln verstossen.
Facebook sperrt Trump «bis auf Weiteres»
Facebook hatte bereits am Donnerstag mitgeteilt, Trump bis auf Weiteres zu sperren. Trumps Konten bei dem Online-Netzwerk und auch bei der Fotoplattform Instagram sollten für mindestens zwei Wochen beziehungsweise bis zur Amtsübergabe an Nachfolger Joe Biden blockiert bleiben, wie Facebook-Chef Mark Zuckerberg am Donnerstag ankündigte. Zunächst hatte Facebook Trump für 24 Stunden gesperrt.
Vor allem Twitter beschränkte sich bei Trump bisher auf Warnhinweise, weil der Dienst die Beiträge des Präsidenten als geschichtliche Dokumente betrachtet. Twitter und Facebook hatten in den vergangenen Monaten zahlreiche Beiträge Trumps mit Warnungen vor falschen Informationen versehen und teils deren Verbreitung eingeschränkt. (awp/mc/ps)