Moskau / Washington – Der Kreml hat den USA angesichts der Spannungen um die Ukraine «falsche Anschuldigungen» gegen Russland und die Verbreitung von Lügen vorgeworfen. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte im Interview mit dem US-Fernsehsender CNN, dass Washington die angekündigten Belege für eine militärische Eskalation von russischer Seite an der Grenze zur Ukraine bisher nicht vorgelegt habe. «Wir warten noch immer auf Beweise», sagte Peskow. Auf die Frage, ob Russland einen Überfall auf die Ukraine ausschliessen könne, sagte er, dass es diesen augenscheinlich nicht gebe.
Die USA und die Nato beklagen seit Monaten einen massiven Aufmarsch russischer Truppen nahe der ukrainischen Grenze und befürchten, dass Russland einen Einmarsch in dem Nachbarland planen könnte. Es seien von US-Sicherheitsberater Jake Sullivan Beweise zwar angekündigt, aber nicht vorgelegt worden, sagte Peskow. Die US-Zeitung «The Hill» veröffentlichte am Sonntag bei Twitter ein Fragment des Interviews.
Verantwortung für Cyberangriff auf ukrainische Regierung zurückgewiesen
«Wir leben in einer Welt falscher Anschuldigungen, von Falschnachrichten und in einer Welt der Lügen», sagte der Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Solange nichts durch Beweise belegt werde, «werden wir weiter davon ausgehen, dass das Fake News und falsche Anschuldigungen sind». Peskow wies auch Vorwürfe zurück, Russland sei für den Hackerangriff auf Internetseiten der ukrainischen Regierung am Freitag verantwortlich. «Russland hat mit diesen Cyberattacken nichts zu tun.»
Microsoft: Zerstörerische Schadsoftware auf Regierungs-PCs in Ukraine
Sicherheitsforscher von Microsoft haben auf Dutzenden Computern in der Ukraine neue Schadsoftware entdeckt, die sie unbrauchbar machen könnte. Das Programm tarne sich zwar als ein Erpressungstrojaner, sei aber in Wirklichkeit dafür gedacht, auf Befehl des Angreifers Daten zu zerstören, teilte Microsoft in der Nacht zum Sonntag mit. Die Software sei unter anderem auf Computern von Regierungsbehörden und IT-Spezialisten gefunden worden. Microsoft sieht ein erhöhtes Risiko für alle Computer-Systeme in der Ukraine.
Die Experten äusserten sich nicht zur möglichen Herkunft der Attacke. Man habe bisher keine Übereinstimmungen mit Aktivitäten bereits bekannter Gruppen gefunden, hiess es. Zugleich machte Microsoft deutlich, dass dahinter ein im Auftrag eines Staates agierender Angreifer vermutet werde. Bisherige Cyberattacken in der Ukraine werden von westlichen IT-Experten und Behörden als Werk russischer Hacker gesehen, zum Teil mit Verbindung zu Geheimdiensten.
Spannungen nehmen zu
Die Spannungen im Ukraine-Konflikt hatten zuletzt stark zugenommen. Vergangene Woche gab es dazu auf verschiedenen Ebenen Gespräche. Erstmals seit zweieinhalb Jahren berieten die 30 Nato-Staaten und Russland wieder miteinander. Darüber hinaus gab es eine Sitzung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Bereits zum Wochenauftakt hatten sich Vertreter Russlands und der USA in Genf getroffen. Greifbare Ergebnisse gab es nicht.
Peskow forderte in dem Interview erneut schriftliche Antworten der USA auf Russlands Vorschläge für die Sicherheit in Europa. Bei den Verhandlungen in der vergangenen Woche hatte Russland von der Nato und den USA Garantien für seine eigene Sicherheit gefordert. So verlangt Moskau etwa ein Ende der Nato-Osterweiterung und einen Verzicht des Bündnisses auf Aufnahme der Ukraine. Die aktuellen Spannungen seien «extrem gefährlich» für die Lage auf dem Kontinent, sagte Peskow. Russland sieht sich durch die Nato bedroht. (awp/mc/pg)